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Geldspritze für Corona-Vakzinforschung?

Von Michael Ortner, Christian Rösner und Thomas Seifert

Wirtschaft

Österreich hat als Biotech-Hub beste Voraussetzungen: Was fehlt, ist die tatkräftige Unterstützung der Politik.


Schnelle Schlagzeilen zu generieren gehört zum Geschäft der Politik: "Kurz beanstandet ungleiche Impfstoff-Verteilung in EU" (12. März). "Kurz spricht in Israel über Vakzinproduktion" (7. Februar). "Kurz will Sputnik-Produktion in Österreich" (4. März).

Die Kärrnerarbeit der Politik ist weniger glamourös und vor allem verflixt mühsam: Es geht darum, komplexe Konzepte zu erarbeiten und knifflige Problemstellungen zu lösen. Was tun, wenn Bürgerinnen und Bürger sehnsüchtig auf die Injektion des Covid-19-Impfstoffs warten? Wie kann die Politik die Produktion von Impf-Serum beschleunigen?

Die britische "Financial Times" hatte am 1. März unter Berufung auf einen Kanzleramtsmitarbeiter berichtet, Österreich habe einen potenziellen Standort für eine mRNA-Impfstofffabrik ausfindig gemacht. Allzu schwierig kann die Standort-Suche nicht gewesen sein: Die Verträge zwischen dem Schweizer Pharma-Multi Novartis und dem deutschen Biotechnologie-Pionier CureVac für das Novartis-Werk in Kundl waren da längst unter Dach und Fach. Rund 50 Kilometer östlich von Innsbruck werden im Jahr 2021 bis zu 50 Millionen Dosen des mRNA-Wirkstoffs für CureVac hergestellt, für 2022 sind bis zu 200 Millionen Dosen geplant. "Wir bereiten uns derzeit auf Hochtouren auf die Produktion vor", sagt Novartis-Sprecherin Sabine Boschetto. Bis zu 100 Mitarbeiter werden im Bereich der mRNA-Produktion tätig sein. Geplanter Produktionsstart: Ende Juni. 20 Millionen Euro hat Novartis in den Umbau und die Erweiterung des Tiroler Werks investiert.

Hat Novartis für die Covid-19-Impfstoffproduktion staatliche Förderungen erhalten? "Es gab keine Angebote in diese Richtung", sagt Boschetto. Es habe auch im Unternehmen keine Überlegungen gegeben, Geld von staatlichen Stellen zu bekommen.

Auch für das österreichische Paradeunternehmen Polymun in Klosterneuburg - Kanzler Kurz besuchte das Werk im November 2020 - gab es keine Sonderförderungen. "Es wäre bei uns auch nicht schneller gegangen, wenn jemand gesagt hätte, da lege ich mehr Geld drauf", sagt Dietmar Katinger, Geschäftsführer von Polymun. Das kleine Unternehmen mit 95 Mitarbeitern in Klosterneuburg wurde zu einem wichtigen Glied in der Impfstoffproduktionskette. Bei Polymun wurde der Herstellungsprozess für die Lipidnanopartikel entwickelt, der Impfstoff für die klinischen Studien hergestellt, getestet und auf Stabilität geprüft, jetzt werden die Lipide mit der mRNA zum fertigen Impfstoff zusammengeführt. Im vergangenen Jahr wurden etwa zehn Millionen Dosen für BioNTech/Pfizer hergestellt. "Unsere Herausforderung war, wie wir mit der vielen Arbeit in so kurzer Zeit zurande kommen", sagt Katinger. Anfang März gab er bekannt, dass Polymun seine Produktion heuer erhöhen kann. Bis zum Sommer sollen 20 statt 15 Millionen Dosen geliefert werden. Neben BioNTech zählen CureVac und das US-Biotech-Unternehmen ArcturusTherapeutics zu den Auftraggebern. "Wenn ich das Gefühl gehabt hätte, wir können den Auftrag nicht erfüllen, hätte ich mich zuerst an die Auftraggeber gewandt. Diese Frage hat sich aber nicht gestellt", sagt der Polymun-Geschäftsführer.

Deutsches Förderfüllhorn

Eine kurzfristige Unterstützung durch die öffentliche Hand hätte laut Katinger nichts gebracht. Das Unternehmen habe sich mit ausreichend Material eingedeckt, 2020 wurden etwa noch Pumpen und Kessel für die Produktion angeschafft. Ein komplett neues Werk hinzustellen, sei nicht möglich gewesen. Pfizer besitzt etwa ein großes Werk mit großen Hallen für Erweiterungen in Belgien, BioNTech hat in Marburg ein bestehendes Werk von Novartis gekauft und für die Impfstoffproduktion umgebaut. Darum konnten die beiden Firmen in hohem Tempo ihren Impfstoff produzieren. "Hätte ich eine freie Halle herumstehen gehabt, dann wäre das bei uns auch theoretisch denkbar gewesen", sagt Katinger.

Allerdings war das Covid-19-Förderangebot der Republik für die Biotech-Forschung oder Impfstoffproduktion angesichts der sich auf bis zu 50 Milliarden Euro belaufenden Corona-Kosten nicht gerade üppig: Anfang März 2020 hat die Regierung mit dem "Corona Emergency Call" 26 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln zur Verfügung gestellt, um die Forschung im Kampf gegen das Coronavirus zu beschleunigen. 53 Projekte wurden bislang gefördert, ausbezahlt wurden bisher aber lediglich 11 Millionen Euro.

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Deutschland hat im Gegensatz zu Österreich hunderte Millionen Euro für die Impfstoff-Forschung und -Produktion lockergemacht. Biotechnologieunternehmen BioNTech, das mit Pfizer einen mRNA-Impfstoff entwickelt hat, erhielt 375 Millionen Euro, beim Konkurrenten CureVac hat sich die deutsche Regierung Mitte März 2020 mit 300 Millionen Euro beteiligt, weil damals zu befürchten war, dass die USA die Tübinger Firma einfach aufkaufen, zudem flossen 252 Millionen Euro in die Erforschung des Impfstoffs. Als drittes Unternehmen wurde IDT Biologika mit 114 Millionen Euro gefördert. Für die Förderungen müssen die Unternehmen keine Lieferverpflichtungen eingehen, heißt es auf Anfrage beim deutschen Forschungsministerium.

Britisches Geld für Austro-Forschung

Bei Valneva hingegen hat man voll auf die Unterstützung des Staates gesetzt - des britischen Staates. Vonseiten des österreichischen Staates habe es keine spezifischen Fördermittel für die Covid-19-Impfstoffentwicklung gegeben, teilt Valneva mit. Das Unternehmen habe eine Forschungsprämie, eine steuerliche Begünstigung für Forschung und Entwicklung und eine Investitionsförderung in Anspruch genommen, die für das Covid-19-Programm genutzt wird, heißt es weiter. Der größte Teil des Geldes für das österreichisch-französische Pharmaunternehmen kommt aber von Großbritannien, das dafür 100 Millionen Dosen mit der Option auf weitere 90 Millionen Dosen bis 2025 im Gesamtwert von 1,4 Milliarden Euro bekommt. Dafür finanziert die Regierung in London den Standort in Schottland. In Livingston in der Nähe von Edinburgh lässt Valneva den Hauptwirkstoff produzieren, im schwedischen Solna wird er abgefüllt. Der zentrale Forschungs- und Entwicklungsstandort ist aber im dritten Wiener Gemeindebezirk, wo 200 Mitarbeiter arbeiten.

Das kleine Biotech-Start-up Cebina (Central European Biotech Incubator and Accelerator) hat sich gar nicht erst um staatliche Förderungen bemüht: "Wenn wir 200, 300 oder 400.000 Euro brauchen, geht es über die Investoren schneller als über staatliche Stellen", sagt Wolfgang Friedl, zuständig für das operative Geschäft bei Cebina. Stattdessen habe Cebina das notwendige Kapital bei privaten, internationalen Investoren lukriert. Erforscht wird ein Nasenspray gegen Covid-19, der auf dem bereits zugelassenen Antiallergikum Azelastine aufbaut.

Der Biologe und frühere Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), der während seiner Amtszeit Wien als Biotech-Standort förderte, beklagt, dass der Grundlagenforschung in Österreich zu wenig Wertschätzung entgegengebracht werde. "Aus der Grundlagenforschung resultiert die angewandte Forschung, die dann nicht mehr sauber von der industriellen Forschung zu trennen ist. In Österreich wird aber alles mit staatlicher Förderung unterlegt." Da sei es dann schwierig, Unternehmen dazu zu bringen, in Grundlagenforschung zu investieren. Und Häupl äußert, was auch Forscherinnen und Forscher im Biotech- und Pharma-Sektor beklagen: Die erzielbaren Preise für pharmazeutische Präparate seien in Österreich zu gering. "Man darf nicht einfach nach dem Low-Cost-Prinzip vorgehen, da geht es auch um die Verfügbarkeit der Präparate für die Menschen", so Häupl zur "Wiener Zeitung".

Mehr Geld für den Bereich Biotech

"Österreich ist bei den Medikamenten ein Niedrigpreisland", kritisiert auch der Generalsekretär der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig), Alexander Herzog. Aufgrund der restriktiven Preispolitik sei der Standort nicht attraktiv genug. Dazu komme die Schwierigkeit für Unternehmen, in Österreich Risikokapital aufzutreiben. "Österreich ist eher ein technologiefeindliches Land. Innovation wird nicht großgeschrieben. Das rächt sich bei den Impfstoffen", meint Herzog. Herzog hofft darauf, dass Lehren gezogen werden: Für die Zukunft, sagt er, müsse man die Förderprogramme für den Pharmabereich intensivieren. Die Europäische Union hat lange um den Preis für die Covid-Impfstoffe verhandelt hat und die Verträge später als andere abgeschlossen. "Die USA und Israel haben einen Batzen Geld in die Hand genommen, weil sie erkannt haben, dass es billiger ist als die Folgekosten", sagt Herzog.