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Geldvernichtung in AvW-Prozessen

Von Kid Möchel

Wirtschaft

Anwälte pochen auf Musterverfahren, Landesgericht sieht keine Chance dafür.


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Wiener Neustadt. Die Zivilprozesse über die 350-Millionen-Euro-Anlagebetrugsaffäre AvW um Wolfgang Auer-Welsbach verschlingen enorm viel Geld. Nachdem das Wiener Neustädter Gericht eine 132-Millionen-Euro-Klage der AvW-Insolvenzverwalter gegen den Ex-AvW-Abschlussprüfer Ehrenböck Moore Stephens an nur einem Verhandlungstag wegen angeblicher Unschlüssigkeit abgeschmettert hat, wird diese Klage letztlich beim Obersten Gerichtshof landen. Bis dorthin wird das Verfahren laut Experten rund 6,5 Millionen Euro an "pauschalen Gerichtsgebühren" verschlingen - Anwaltskosten nicht eingerechnet.

Kaum weniger kostenintensiv sind jene zwei AvW-Anlegerverfahren gegen den Ex-AvW-Wirtschaftsprüfer, die das Landesgericht Wiener Neustadt - nach anfänglichen Klagsabweisungen - aus Dutzenden Sammel- und Hunderten Einzelklagen zusammengebastelt hat. Insgesamt geht es um rund 71 Millionen Euro Streitwert und 2000 Geschädigte. Die pauschalen Gerichtskosten betragen 850.000 Euro. Am Mittwoch verhandelt Richter Martin Kargl unter der Aktenzahl 22 Cg 093/11v die Haftungsansprüche von rund 700 AvW-Opfern, die angeblich verjährt sein sollen; und am Donnerstag befasst er sich unter der Aktenzahl 23 Cg 192/11k mit weiteren 1300 AvW-Geschädigten.

Musterverfahren gefordert

Laut Anlegeranwalt Erich Holzinger, der gemeinsam mit Michael Bauer Hunderte Opfer vertritt, wird dem Wirtschaftsprüfer sinngemäß vorgeworfen: Wenn er die Bilanzen der AvW nicht pflichtwidrig testiert hätte, wäre das "Werkl zusammengebrochen" und die Anleger hätten nicht mehr in AvW investiert. Ehrenböck bestreitet die Vorwürfe.

"Unsere ursprünglichen Sammelklagen sind wortident bis auf die Namen der Anleger. Wir haben in jede Sammelklage hineingeschrieben, dass wir für ein Innehalten der Verfahren sind und nur einzelne Musterverfahren aus Gründen der Prozessökonomie führen wollen", sagt Holzinger. "Bei gutem Willen von allen Seiten funktioniert das auch, wie die Verfahren gegen die frühere AvW-Hausbank RBB in Klagenfurt und im Amtshaftungsverfahren gegen die Republik in Wien zeigen." Anfang April hat Anwalt Bauer beim Gericht in Wiener Neustadt einen Antrag auf Innehaltung gestellt. Zuvor hatte das Gericht eine Unterbrechung zur Führung von kostengünstigen Musterverfahren "mangels Präjudizialität" abgelehnt.

"Das Gericht missachtet den Verfahrensgrundsatz der Prozessökonomie", meint Bauer. Der Advokat beruft sich dabei auf den Zivilrechtsprofessor Georg Kodek, der u.a. ein Gutachten über prozessuale Fragen im legendären WEB-Verfahren erstellt hat. Dieser meint, die Innehaltung könne in Ausnahmefällen zulässig, allenfalls "sogar geboten sein". Prozessökonomie sei ein "grundlegendes Gestaltungsprinzip der österreichischen Zivilprozessordnung", und Kodek verweist dabei auch auf die Europäische Menschenrechtskonvention EMRK.

Am Ende urteilt der OGH

"Ein Innehalten ist in der Zivilprozessordnung nicht vorgesehen. Wenn die Verfahren nicht verbunden worden wären, wären diese Verfahren alle einzeln verhandelt worden", sagt Hans Barwitzius vom Landesgericht Wiener Neustadt. "Es gibt Auffassungsunterschiede, aber mit den Verfahren wird man jetzt so zurechtkommen müssen. Wenn die Klagen auf dem Tisch liegen, dann gehören sie erledigt. Hier innezuhalten ist auch problematisch." Nachsatz: "Das mit den Musterprozessen ginge nur dann, wenn die Beklagtenseite einen Verjährungsverzicht abgegeben hätte. Das hat sie aber nicht." Das Gericht werde sich jetzt anschauen, was die zwei Verhandlungstage bringen. Barwitzius: "Es geht hier um Rechtsfragen, wie die Verjährung, die wahrscheinlich der OGH klären müssen wird." Das Verfahren am Mittwoch, mit den angeblichen 700 Verjährungsfällen, dürfte in erster Instanz zügig beendet werden. Bauer und Holzinger bestreiten die Verjährung vehement. Weist das Gericht dieses erste Verfahren ab, so entsteht alleine diesen zwei Anwälten für die Berufung ein Pauschalgebührenaufwand von 212.887 Euro.