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Es überrascht manchmal, was aus medizinischer Forschung als gesundheitsgefährdend resultiert - oder auch als gesundheitsfördernd. Unlängst wurden für eine Studie 10.000 Männer gefragt "Fühlen Sie sich von Ihrer Frau geliebt?" Wer mit "Ja" antwortete, litt deutlich seltener an Angina pectoris, einer Mangeldurchblutung des Herzmuskels, als Geschlechtsgenossen, die sich ungeliebt fühlten. Kontrollierte mögliche andere Faktoren erwiesen sich als nicht ausschlaggebend.
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Die Zeitschrift "Psychologie heute" nennt die Studie in ihrer Dezember-Ausgabe in einem Überblick über Ergebnisse einer noch jungen Wissenschaft: der Psychoneuroimmunologie (PNI). Dass Gefühle und Gedanken einen Einfluss auf das Immunsystem und den Gesundheitszustand überhaupt haben, ist lange bekannt. Neu ist der Versuch, es konkret und detailliert zu belegen.
Immunfaktor Beziehungen: Je mehr, desto besser
Von der "Macht der Psyche über den Körper" berichtete unlängst auch die Zeitschrift "Bild der Wissenschaft". Sie führt als Beispiel Erkältungskrankheiten an, die durch Viren verursacht werden. Für ein Experiment wurden 420 Freiwillige mit solchen Viren infiziert. Es zeigte sich: Dauerhafte Beziehungen zu Freunden, Nachbarn und Kollegen sind ein wichtiger Immunfaktor.
62 Prozent der Teilnehmer mit drei oder weniger Bezugspersonen erkrankten, aber nur 35 Prozent derjenigen mit sechs oder mehr Nahestehenden.
Eine von "Psychologie heute" genannte Langzeitstudie hat nachgewiesen, dass Menschen, die sich als Kinder von den Eltern geliebt fühlten, ein Art Schutzschild gegen Krankheiten im Erwachsenenalter haben. In den fünfziger Jahren wurden 126 gesunde Studenten nach dem Verhalten ihrer Eltern in der Kindheit gefragt.
35 Jahre später stellten Forscher nach einer neuen Befragung eines Großteils dieser ehemaligen Studenten fest, dass diejenigen, die Vater und Mutter als abweisend, streng, hart arbeitend und wenig fürsorglich geschildert hatten, im mittleren Alter deutlich häufiger an Herzkrankheit, Bluthochdruck und Alkoholismus litten als diejenigen, die sich von den Eltern geliebt fühlten.
Optimismus tut gut, Realisten häufiger depressiv
Die Zeitschrift bezieht sich in ihrem Bericht auf die amerikanische Fachpublikation "Advances in Mind-Body-Medicine" (Kalamazoo/Michigan). Diese hat renommierte Wissenschafter die wichtigsten PNI-Forschungsarbeiten zusammenstellen lassen und in einer Sondernummer veröffentlicht.
Immer wieder wird darin deutlich, dass insbesondere Optimismus gut tun kann - und zwar auch unrealistischer Optimismus. Illusionen sind nicht nur erlaubt, sondern erscheinen sogar empfehlenswert. Sehr realistische und sich selbst gegenüber ehrliche Menschen haben nämlich ein hohes Risiko depressiv zu werden, sagt der amerikanische Sozialpsychologe Martin Seligman.
Länger leben mit Illusionen
Eine Untersuchung mit Aids-kranken Männern hat gezeigt, dass die Optimisten unter den Infizierten eine um neun Monate längere Lebenserwartung hatten als solche, die sich über ihre Zukunft keine Illusionen machten, also realistischer erschienen. Unter den Befunden war auch, dass ein unrealistischer Optimismus den Beginn der Erkrankung nach einer Infektion hinauszögert.
Andere Studien haben umgekehrt gezeigt, dass negative Emotionen und Stress direkt die Produktion bestimmter Moleküle, nämlich der entzündungsfördernden Zytokine, stimulieren. Durch eine solche Stimulation können Erkrankungen von Herz und Gefäßen, Arthritis und andere Krankheiten ausgelöst werden. Auch eine Studie zur Wundheilung hat eine bedeutsame Rolle von Zytokinen aufgezeigt.
"Psychologie heute" formulierte die Parole "Freuen Sie sich gesund!" auf dem Cover neben dem Bild einer fröhlichen jungen Frau. Zugleich macht die Zeitschrift jedoch auf die "Gefahr eines schwerwiegenden Missverständnisses" aufmerksam. "Wer krank wird könnte sich selbst dafür die Schuld geben: Hätte er nur ausreichend Freude und Optimismus in sein Leben gebracht, dann wäre ihm die Krankheit erspart geblieben."
Gefahr: Positives Denken . . .
Auf die gleiche Gefahr verwies kürzlich der Natur- und Verhaltenswissenschafter Hansjörg Hemminger in einem kritischen Beitrag über so genanntes Positives Denken als Rezept zu einem gelungenem und erfolgreichen Leben in einer Publikation der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (Berlin). "Geradezu krankmachend wirkt Positives Denken, wenn Versagen, Unglück und Leid als von Menschen selbst verschuldet gesehen werden", schreibt er. "Dann hat man als erfolgloser oder leidender Mensch die Methode falsch angewandt."
. . . kann auch krank machen!
Der Autor verweist auch auf den Psychologen und Psychotherapeuten Günther Scheich. Der beschreibt in seinem Buch "Positives Denken macht krank" (Frankfurt 1997) die Psychodynamik von Beispielen aus seiner Praxiserfahrung.