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Wir mögen die Deutschen ja eh. Zumindest ihr Geld, ihre Frisuren und manchmal sogar ihre Sprache.
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Ein weiser Mann sagte einst, der größte Unterschied zwischen Deutschen und Österreichern sei die gemeinsame Sprache. Ich weiß es allerdings besser, und das aus jahrelanger Erfahrung: Das, was uns wirklich von unseren Lieblingsnachbarn trennt, ist der Fußball.
Natürlich soll hier nicht abgestritten werden, dass die Deutschen komisch reden, das tun sie. Sehr sogar. Wer isst schon ein Eisbein, wenn er eine gepflegte Stelze haben kann. Wer geht schon in die Kneipe, wenn er sichs in einem Beisl gmiadlich machen kann?
Aber sie reden nicht nur komisch, sie spielen auch komisch Fußball. Nicht immer gut, aber meistens erfolgreich. Wir spielen schlecht und kriegen halt regelmäßig eine auf den Deckel. Deshalb mögen wir die Deutschen auch nicht. Das ist nicht böse gemeint, wir mögen uns ja nicht einmal selbst immer. Nein, das ist ein so ein klassisches Beispiel, wo etwas so ist, und zwar schlicht und ergreifend, weil es so ist. Wir können nicht anders, diese Antipathie ist in uns drinnen. Und sollte jemand doch auf die Idee kommen, Bewunderung für die deutsche Handwerksarbeit und Effizienz zu hegen, sollte er das in seinem eigenen Interesse heimlich tun - am Stammtisch kommt so ein Outing jetzt wirklich nicht besonders gut an. Trotzdem brauchen wir nicht allzu traurig zu sein, dass sie wieder einmal geschafft haben, was uns vermutlich für alle Ewigkeit versagt bleiben wird: den Einzug in ein EM-Semifinale. Nein, es gibt sogar ein paar Gründe, das gut zu finden:
* Wir werden nie spielen wie die Holländer, obwohl das schöner und befriedigender wäre. Wir können uns aber an der Disziplin und Organisation des deutschen Spiels ein Vorbild nehmen - und lernen, dem Gegner zur richtigen Zeit liebevolle Schubser zu verpassen.
* Wir wollen gute Gastgeber sein. Und die Deutschen in der nächsten Hochsaison in unseren überteuerten Tourismuszentren wieder begrüßen dürfen.
* Wir brauchen ein Feindbild. Gegen niemand schreit es sich so befreiend wie gegen die Deutschen.
* Sollten sie wider alle Gerechtigkeit das Turnier gewinnen, können wir guten Gewissens behaupten, wir haben gegen den Europameister mit nur einem Tor Unterschied verloren. Pech, dass wir sie in der Gruppenphase gehabt haben. Hätte uns auch erst im Finale passieren können.
* Wem das noch nicht genug Trost ist, dem sei gesagt, dass ein vorzeitiges Ausscheiden der Deutschen wirklich, wirklich schade gewesen wäre, allein schon wegen Jogi Löw.
Kein anderer Trainer hat so eine lustige Frisur. Und es gibt wirklich niemanden im Turnier, der so lustig redet wie er.
Da sage noch einmal einer, wir könnten mit der Sprache der Deutschen nichts anfangen.
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"Gegen niemanden schreit es sich so befreiend wie gegen die Deutschen. Und Jogi Löw ist auch lustig."