Unesco-Rat Icomos würde Denkmäler des "Roten Wien" eher unter Schutz stellen.
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Wien. 600 Wohnungen und ein Reha-Zentrum - was vor fünf Jahren per neuer Flächenwidmung für das Steinhof-Areal beschlossen wurde, sorgt nun für vermehrte politische Debatten. Zuletzt gab es einen Antrag der ÖVP, wonach das gesamte Gebiet zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt werden möge, um es doch noch vor der Verbauung an den Rändern zu schützen. Beim Unesco-Denkmalrat Icomos, der ein maßgebliches Wörtchen bei neuen Welterbe-Stätten mitspricht, äußert man sich aber skeptisch, das begehrte Prädikat für Steinhof zu bekommen. Viel mehr Chancen hätte Wien mit einem Antrag auf Unterschutzstellung wichtiger Gemeindebauten.
"Grundsätzlich stellen die Gemeindebauten eine einzigartige städtebauliche und soziale Leistung im 20. Jahrhundert dar", attestiert Icomos-Österreich-Präsident Wilfried Lipp im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Daher seien alle Überlegungen, herausragende Beispiele aus der Gründerzeit des "Roten Wien" mit dem Welterbe zu adeln, mehr als berechtigt. "Allerdings gab es dazu noch keine offiziellen Gespräche. Jedenfalls müsste das Interesse groß sein - und die Wiener SPÖ müsste stolz sein", so Lipp.
In Berlin wurden bereits 2008 sechs Gemeindebau-Siedlungen auf die Welterbe-Liste gesetzt. Die Gemeindebauten könnten via Ausdehnung bestehender Welterbe-Zonen aufgenommen werden: "Prinzipiell sind in Wien solche Erweiterungen legitim", schätzt Lipp; das gelte theoretisch auch für den Steinhof, wenngleich dieser von Schönbrunn beziehungsweise vom historischen Zentrum etwas weit weg liege.
Wäre das Jugendstilensemble Steinhof prinzipiell wertvoll genug für das Weltkulturerbe? "Das traue ich mir ad hoc nicht zu sagen. Da muss man sich mehr damit beschäftigen", so Lipp.
"Liste ist bereits zu"
Er gibt aber zu bedenken, dass die Chance für weitere Einzeldenkmäler aus Europa gleich null sei: "Da ist die Liste bereits zu, weshalb auch etliche Stifte und Burgen aus Österreich nie zum Zug kommen werden." Und generell verfolge die Unesco das Ziel, das mit einem Überhang an Welterbe-Stätten ausgezeichnete Europa einzubremsen. "Österreich wird nicht mehr sehr viel platzieren können. Wenn, dann muss man mit einem Zehnjahres-Horizont rechnen", so Lipp.
So gab es in Österreich seit 2001 (Wien und Neusiedlersee) keine größeren Neuaufnahmen mehr. Lediglich Graz erfuhr 2010 eine Ausdehnung mit dem Schloss Eggenberg; und im Vorjahr wurden fünf Pfahlbauten in Kärnten und Oberösterreich aufgenommen.
Auf der aktuellen Absichtsliste der Republik Österreich für künftige Stätten sei der Steinhof jedenfalls nicht vertreten, so Lipp. Damit ein solcher Antrag nicht völlig aussichtslos ist, müsste aber rasch politisch gehandelt werden: "Man müsste sich jetzt mit aller Macht drauflegen. Und das hieße auch, das Einfrieren aller Vorhaben, die am Steinhof geplant sind." Nicht zuletzt brauche es eine umfassende Studie über die Einzigartigkeit des Ensembles - sowie ein gemeinsames Vorgehen von Stadt und Republik, die letztlich den Antrag nach Paris zur Unesco bringen muss. Hier freilich gibt es laut dem Icomos-Präsidenten die nächste Hürde: "Die Welterbe-Politik der Republik Österreich ist nicht sehr aktiv. Anstatt offensiv zu sein, wartet man immer nur, wo sich eine Willensbildung zeigt."
Grüne wollten Welterbe 2006
Bestes Beispiel sei der steirische Erzberg, dem vor Jahren große Chancen für das Welterbe-Prädikat eingeräumt wurden, was auch eine Studie untermauert habe. "Weil dann die Eigentümer und die steirische Landespolitik dagegen waren, hat man sich einfach damit abgefunden. Und das ist eine Schande, weil die Republik sagen sollte, dass wir uns um solche herausragende Denkmäler bemühen", kritisiert Lipp.
Formal zuständig ist in Wien Planungsstadträtin Maria Vassilakou; nicht unbrisant ist, dass es die Grünen anno 2006 waren, die erstmals den Welterbe-Status für Steinhof gefordert haben. Damals war die Forderung insofern aussichtslos, als SPÖ, ÖVP und FPÖ der Umwidmung zugestimmt haben. Planungssprecher Christoph Chorherr sagt heute: "Ein Instrument, bei dem man frühestens in 5 bis 10 Jahren mit einem Ergebnis rechnen kann, hilft gar nicht weiter. Gefragt sind jetzt Strategien, die Antworten in den kommenden 2 Jahren liefern." Hinter den Kulissen heißt es im Rathaus: "Dieses Ansinnen wird wohl Wunschdenken bleiben."