Vorwurf der Manipulation bei Gemindewahlen. | ÖVP kontert mit identen Vorwürfen an die Adresse der SPÖ. | Wien/St. Pölten. Eigentlich gilt die allgemeine politische Sorge ja der beständig sinkenden Wahlbeteiligung - vor allem im Hinblick auf die Bundespräsidentschaftswahlen am 25. April geht die Angst vor einem neuen Negativrekord um. | Nachwahl-Turbulenzen in Baden | Analyse: Lenins Formel von Politik gilt leider auch für die diversen Wahlordnungen
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Aber auch eine steigende Wahlbeteiligung ist noch kein Garant für ungetrübte Freude. Zumindest nicht in Niederösterreich. Hier kommt es im Gefolge der Gemeindewahlen vom 14. März zu erheblichen politischen Turbulenzen aufgrund gehäufter Ungereimtheiten beim Wahlvorgang.
Zumindest in zwanzig Gemeinden - darunter auch in Tulln, Hollabrunn und Gmünd - werden die Ergebnisse beeinsprucht. Ob dem stattgegeben wird, darüber muss die Landeswahlbehörde bis 23. April entscheiden.
Am Pranger steht die ÖVP. Dieser wirft die rot-blau-grüne Opposition vor, die Möglichkeiten der Landeswahlordnung aus dem Jahr 1994 bis an die Grenzen - und mitunter auch darüber hinaus - zum eigenen Vorteil ausgenutzt zu haben. Für die Volkspartei, die die Wahlen mit großem Vorsprung gewann, sind diese Vorwürfe wiederum nur die Klagen von schlechten Verlierern.
Drei Besonderheiten in Niederösterreich
Drei Besonderheiten weist die Niederösterreichische Wahlordnung auf: Die Existenz von sogenannten nichtamtlichen Stimmzettel, die - bereits fixfertig ausgefüllt - von den Parteien im Wahlkampf an Haushalte verschickt werden können. Die Möglichkeit, dass auch Besitzer eines Zweitwohnsitzes wählen können. Und der Umstand, dass Wahlkarten recht unbürokratisch auch in Vertretung der stimmberechtigten Person abgeholt werden können. Vor allem die beiden letzten Punkten haben in Niederösterreich zu einem signifikanten Anstieg der Wahlbeteiligung geführt.
Dies gelang dank grenzwertiger Methoden der fast allmächtigen ÖVP, behauptet zumindest die Opposition im Land - und führt eine lange Liste bemerkenswerter Vorkommnisse am Wahltag als Argumente an: Etwa wenn sogar Sommercamper vom Bürgermeister aufgefordert werden, sich einen Zweitwohnsitz zuzulegen und wählen zu gehen; oder wenn Saisonarbeiter massenhaft bei einer Wahl abstimmen, die im März eigentlich gar nicht in der Gemeinde sind; oder wenn erstaunlich viele Wahlkarten von offensichtlich ein und der selben Person abgegeben und ausgefüllt wurden.
All diese kleineren und größeren Ungereimtheiten hätten im Umfeld der ÖVP von Landeshauptmann Erwin Pröll stattgefunden, argumentieren SPÖ, FPÖ und Grüne. Die Schwarzen kontern mit einer Liste ganz ähnlicher Vorkommnissen - beim behaupteten Nutznießer soll es sich allerdings um die SPÖ handeln.
Weniger Anfechtungen in Tirol und Steiermark
Der Verfassungsgerichtshof hat gegen die Niederösterreichische Wahlordnung, die einst von ÖVP und SPÖ einmütig beschlossen wurde, keine Einwände. Heute ist das Klima zwischen den beiden Parteien vergiftet.
Bei den Tirolern Kommunalwahlen gibt es derzeit lediglich zwei Anfechtungen vor der Bezirkswahlbehörde, in der Steiermark sind es rund zehn, die Frist läuft allerdings noch bis Dienstag. In Niederösterreich sind es zwanzig.
Die Grünen im Land machen sich nun für eine Abschaffung der nichtamtlichen Stimmzettel stark und fordern, dass nur mehr die stimmberechtigte Person selbst eine Wahlkarte beantragen und abholen kann.
Keine Mehrheit für Änderungen
Bei den Zweitwohnsitzen ist die Ökopartei schon weit weniger radikal, gelten doch die Grünen gemeinsam mit der ÖVP in Niederösterreich gemeinhin als die größten Nutznießer einer solchen Wahlmöglichkeit. Derzeit kann wählen, wer sechs Wochen vor dem Wahltag über einen Wohnsitz verfügt. Die Grünen würden diese Frist gerne auf sechs Monate ausdehnen.
Debatten über Änderungen sind derzeit jedoch ohnehin müßig, es fehlt die politisch notwendige Mehrheit im Land: In der Volkspartei wird man nämlich nicht müde, das geltende Wahlrecht als demokratiepolitisch vorbildlich zu preisen.