Theresa May erhofft sich von der Visite bei Donald Trump den Startschuss besonderer Beziehungen.
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London. Der Besuch der britischen Premierminister Theresa May beim neuen US-Präsidenten Donald Trump am Freitag soll den Briten helfen, "gemeinsam" mit den USA "wieder die Führung der Welt zu übernehmen". Das hat May im Vorfeld ihrer Visite in Washington erklärt. Die Regierungschefin aus London, die Trumps erster hoher Gast aus dem Ausland ist, pries dessen Wahl zum Präsidenten als Zeichen amerikanischer "Erneuerung" und als Beweis dafür, dass die Amerikaner "ihr Selbstvertrauen wiedergefunden" hätten. Sie hofft, Trump für einen raschen bilateralen Freihandelsvertrag gewinnen zu können, "nachdem wir nun unserer Mitgliedschaft in der EU ein Ende setzen".
Der Austritt aus der EU, sagte May, gebe London die Chance, die Beziehung zu "alten Freunden" neu zu beleben: "Während wir gleichzeitig unser Selbstvertrauen wieder entdecken - Sie erneuern Ihre Nation genauso wie wir die unsere -, haben wir Gelegenheit, ja sogar die Verantwortung, unsere besondere Beziehung zu Beginn einer neuen Ära frisch aufleben zu lassen. Wir haben die Chance, gemeinsam wieder die Führung zu übernehmen." Im Grunde, fügte die britische Regierungschefin an, habe ja "die Führerschaft" der Amerikaner und der Briten "die moderne Welt gestaltet" und für Freiheit und Menschenrechte gesorgt.
Unterordnung seit 70 Jahren
Wegen des ungleichen Größen-Verhältnisses der beiden Staaten und wegen der Trump’schen Parole "America First" bezweifeln aber viele Experten, dass Trump dem Vereinigten Königreich einen für beide Seiten vorteilhaften Deal anbieten wird. "Seit siebzig Jahren" hätten die USA Britannien "immer als unterwürfig behandelt oder gewollt, dass es sich unterordne", meint der Präsident der Washingtoner Peterson-Instituts für internationale Wirtschaftsfragen, Adam Posen, der noch unlängst dem Steuerungsgremium der Bank of England angehörte. Auch der frühere Vorsitzende der britischen Liberaldemokraten, Paddy Ashown, hat wenig Hoffnung auf einen guten Deal für seine Heimat: "Alles, was wir von den USA kannten und an den USA schätzten und bewunderten, fällt jetzt unter einen dunklen Schatten. Frau May kommt nach Washington als armselige Bittstellerin."
Einen Sturm der Empörung löste in London aus, dass Donald Trump ausgerechnet zum Zeitpunkt der May-Visite Foltermaßnahmen offen als staatliches Mittel rechtfertigte. Selbst hochrangige konservative Politiker wie der Abgeordnete Andrew Tyrie, der Vorsitzende des Unterhaus-Ausschusses für Finanzen, forderten May auf, gegen eine solche US-Politik aufzubegehren. Die Premierministerin müsse Trump klarmachen, dass sie "unter keinen Umständen zulassen werde, dass sich Großbritannien erneut zu einer Zustimmung zu Folterungen drängen lassen würde - wie nach dem 11. September" 2001.
In der Tat finden sich die britischen Geheimdienste, die sich weitgehend auf amerikanische Informationen stützen, nach Trumps neuesten Äußerungen in einem Dilemma. Keiner der Dienste möchte die Zusammenarbeit mit den USA gefährden. Sollte man in Britannien aber Material benutzen, das durch Foltermaßnahmen zustande kam, würde man damit gegen internationales Recht verstoßen. "Man kann nicht eine Führungsrolle auf der Weltbühne übernehmen, indem man für Folter plädiert", meinte am Donnerstag auch die Tory-Parlamentarierin Sarah Wollaston.
Gesetzesvorlage zu Brexit
Wichtiger als das, fand der britische Außenminister Boris Johnson, sei ohnehin die Tatsache, dass Großbritannien nun bei der Regelung der künftigen Beziehungen "vorn in der Schlange" in Washington stehe. In London hofft man, dass ein britisch-amerikanischer Freihandelsvertrag von May und Trump in Angriff genommen wird.
Unterdessen ist am Donnerstag in Westminster die neue Gesetzesvorlage veröffentlicht worden, die zur Aufkündigung der britischen EU-Mitgliedschaft führen soll. Die Vorlage sucht in simplen Worten der Regierung das Recht zur Inanspruchnahme von Artikel 50 des Lissaboner Vertrags, also zur Aufnahme von Austrittsverhandlungen mit der EU, zu verschaffen. Es soll im Eilverfahren durchs Parlament geschleust werden, damit May im März die Mitgliedschaft aufkündigen kann.
Oppositionsführer Jeremy Corbyn hat angekündigt, dass er seine Labour Party per Fraktionszwang zur Billigung der Regierungsvorlage zwingen will. In dieser seit langem umstrittenen Frage bahnen sich scharfe Konflikte bei Labour an.