Ökonomin der US-Gewerkschaften im Interview mit der "Wiener Zeitung". | Wiener Zeitung: Was gefällt Ihnen an der derzeitigen US-Handelspolitik nicht?
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TheaMei Lee: Die derzeitigen Regelungen helfen den Multinationalen Konzernen, aber nicht den Arbeitern.
Diese Multinationalen schaffen aber Arbeitsplätze.
Ja, aber im Ausland und zwar dort, wo es weniger oder keine Arbeitnehmerrechte gibt, oder sogar Kinderarbeit.
Aber das erwirtschaftete Geld, der Profit, bleibt doch dafür in den USA?
Ja, aber zu konzentriert. Das kann man auch sehr gut daran beobachten, wie die mittleren Einkommen derzeit in den USA fallen. Ein paar wenige werden auf Kosten der Mehrheit sehr reich.
Das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada, Nafta, gefällt Ihnen dann auch nicht besonders?
Da haben wir mit unseren Warnungen Recht behalten: Es ist in den USA zu einer massiven Jobabwanderung gekommen. Auch die angekündigte Regulierung der illegalen Immigration ist ausgeblieben. Die hat sich seit Nafta nämlich verdoppelt und Mexiko hat es auch nicht geholfen.
Immerhin wurde dort mehr Arbeit geschaffen.
Nafta hat in Mexiko mehr Jobs im Agrarsektor zerstört als in der Industrie geschaffen. Aber es geht gar nicht so sehr um Nafta. Das ist mehr ein Symbol für
alles, was man an der US-Handelspolitik hasst. Die
eigentlichen Probleme sind Währungsmanipulationen, Doha und China.
Wie ist da die Situation der USA?
Die USA haben ein riesiges Handelsdefizit gegenüber China. Normalerweise müsste da der Dollar gegenüber dem Yuan fallen. Das tut er aber nicht, weil die Chinesen das durch ihre enormen Dollarkäufe verhindern. Diese Währungsmanipulation wirkt wie eine versteckte Subvention.
Was sollte man Ihrer Ansicht nach dagegen tun?
Das Problem lässt sich
nur gemeinsam lösen. Wir bräuchten eine Art modernes Bretton-Woods. Die EU, USA und Japan sollten gemeinsam Druck auf China ausüben.
Welcher der Kandidaten entspricht am ehesten Ihren Wünschen nach einer neuen US-Handelspolitik?
Die demokratischen Kandidaten haben beide ein Programm für durchsetzbare Arbeitnehmerrechte.
Und McCain?
Unter ihm würde es so weitergehen wie unter Bush: Niedrige Steuern für Reiche und Konzerne, Nafta würde unverändert fortbestehen und das Gesundheitswesen schlecht bleiben.
Thea Mei Lee ist internationale Chefökonomin und Leiterin der politischen Abteilung des Dachverbandes der US-Gewerkschaften AFL-CIO.