Die steigende Zahl von Antibiotikaresistenzen bereitet den Experten Sorge. Eine globale Strategie soll Abhilfe schaffen.
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Wien. Die Medizinwelt warnt schon lange vor sogenannten Superkeimen und damit einhergehend vor der Zunahme von Antibiotikaresistenzen. Jene Mittel, die noch vor Jahren als Segen galten, scheinen ihre Wirkung nach und nach einzubüßen. Denn die Erreger werden immer klüger und entwickeln immer gefinkeltere Strategien gegen unsere derzeit einzige Waffe - das Antibiotikum. Mittlerweile hat das Problem auch die UNO-Vollversammlung in New York erreicht. Generalsekretär Ban Ki-moon rief am Mittwoch gar zum Kampf gegen Superkeime auf. Die Suche nach einer globalen Antibiotikastrategie wird ab sofort verstärkt vorangetrieben.
Bestrebungen in diese Richtung gibt es schon - auch in Österreich. Das Schlagwort dazu heißt Antibiotic Stewardship, betont der Infektiologe Florian Thalhammer von der Medizinischen Universität Wien gegenüber der "Wiener Zeitung". Im Vordergrund stehe der gezielte Einsatz von Antiinfektiva. Es sei nicht immer notwendig, "mit Kanonen auf Spatzen zu schießen". Gerade jetzt, zu Saisonbeginn der grippalen Infekte, gilt dies wohl umso mehr. "Nicht jeder Husten braucht ein Antibiotikum, nicht jedes Kind, das fiebert", erklärt auch Magda Diab-Elschahawi von der Uniklinik für Krankenhaushygiene im Gespräch.
Neue Therapien gefragt
Neben dem vernünftigen Antiinfektivaeinsatz müsse sich die Politik auch "Strategien überlegen, wie es für die forschende Pharmaindustrie wieder interessant wird, Geld in die Entwicklung von Antibiotika zu investieren", so Thalhammer. Derzeit laute die Devise sparen. Zum Einsatz kommen großteils billige Arzneien, die dann häufig zu viel verabreicht würden, weil "das eh nichts kostet". Die Folge einer hohen Antibiotikaverschreibungsquote sind aber die ungewollten Resistenzen.
Die Forschung habe sehr wohl auch neue Ansätze zu bieten, betont der Infektiologe. In der Therapie gegen Clostridium difficile etwa, einem der häufigsten Krankenhauskeime, sei mit dem Wirkstoff Bezlotoxumab der erste Antikörper für die Therapie einer bakteriellen Infektion am Markt. Weitere Biologika würden für andere Einsatzgebiete untersucht. Noch ein Ansatz sei die seit Jahrzehnten in Russland bekannte Phagentherapie. Dabei werden Viren (Bakteriophagen), die auf Bakterien spezialisiert sind, auf die Keime angesetzt.
Doch wie hoch ist die Gefahr in Österreich einzuschätzen? In großen Teilen Europas, so auch hierzulande, sei das Resistenzproblem überschaubar, "auch wenn wir echte Hotspots haben", die etwa bei bestimmten im Darm vorkommenden Enterobakterien schon Resistenzen gegen sogenannte "Panzerschrankantibiotika" aufweisen würden. Das sind jene Mittel, die für besonders hartnäckige Keime in Reserve gehalten werden, um letzten Endes den Wirkmechanismus nicht zu beeinträchtigen. Regelmäßig Auskunft über die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen gibt der Österreichische Resistenzbericht (Aures), der zur Optimierung des Einsatzes antimikrobieller Substanzen beitragen soll.
Risikogruppe Touristen
Ein nicht außer Acht zu lassendes Problem würden jene Menschen darstellen, die etwa als Touristen oder Patienten aus Ländern kommen, in denen multiresistente Bakterienstämme besonders stark vertreten sind. Eine deutsche Studie habe gezeigt, dass zahlreiche Menschen, die bestimmte tropische Länder besuchen, bei ihrer Rückkehr mit multiresistenten Keimen besiedelt seien.
Besiedelt bedeutet aber wiederum nicht, krank zu sein. Manche Menschen tragen den Keim mit sich, ohne dass es zu einer Infektion kommt, betätigen sich dann aber unbemerkt als Überträger. "Oft sind solche multiresistenten Erreger sogenannte Opportunisten, die eben als Besiedler vorkommen, aber einem Gesunden nichts tun", erklärt Diab-Elschahawi. Bei Superkeimen handle es sich zum größten Teil um Erreger, die vor allem schwer kranken Menschen ein Problem bereiten. Im Krankenhaus selbst seien deshalb entsprechende Hygienevorgaben von großer Bedeutung, so die Expertin. Sowohl die Antibiotika- als auch die Hygienestrategie seien zwei wichtige Pfeiler im Kampf gegen die Keime.
"Noch haben wir die Nase vorn", betont Thalhammer, dennoch sei es "dringend notwendig, die Ressourcen gezielt einzusetzen, Forschungsanreize zu schaffen und nicht am falschen Ort zu sparen". In diesem Zusammenhang bringt der Experte die streikbegleiteten Personalkürzungen in den Krankenhäusern ins Spiel: Diese würden zu einer Zunahme von krankenhaushygienischen Problemen und in weiterer Folge einer Resistenzentwicklung führen, warnt Thalhammer.