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Gemeinsam im Kampf gegen die Islamisten

Von WZ-Korrespondent Markus Bickel

Politik

Befürchtungen, dass der Konflikt länger dauert. | Die Bevölkerung von Tripoli unterstützt die Armee | Tripoli. Rana Ainbi kann es noch immer nicht fassen. "Diese Männer behaupten von sich, Muslime sein", schimpft die 53-jährige, "dabei sind sie in Wirklichkeit nichts als Verbrecher." Gemeinsam mit ihrem Mann Ibrahim steht sie auf dem Balkon ihrer Wohnung in Tripolis Stadtviertel Zahiriyya. Die Decke des Balkons ist voller Einschusslöcher, schlaff hängt die libanesische Fahne mit der grünen Zeder von der Häuserwand im vierten Stock des schlichten Wohnhauses.


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Seit über dreißig Jahren schon wohnt das Ehepaar hier, doch was am Wochenende passierte haben sie nach eigenem Bekunden selbst während des Bürgerkrieges zwischen 1975 und 1990 nicht erlebt: Nur zwei Etagen tiefer hatten sich den ganzen Sonntag über drei militante Islamisten verschanzt, von den libanesischen Behörden als Mitglieder der im vergangenen November gegründeten Organisation Fatah al-Islam bezeichnet. Erst nach stundenlangen Gefechten mit der libanesischen Armee gaben sich die selbsternannten Gotteskrieger geschlagen: Einer der Kämpfer riss sich im Hausflur mit einem Bombengürtel in den Tod, die beiden anderen Kämpfer starben im Kugelhagel der Soldaten.

Zwei Tage später sind die Spuren in der Maderis-Straße noch immer nicht beseitigt. Die Wucht der Explosion des Sprengstoffs brachte im Erdgeschoss des schlichten Wohnhauses eine ganze Treppenstufe zum Zerbersten, bis in die zweite Etage ist das gelb gestrichene Treppenhaus von Einschusslöchern übersät, Kabel ragen aus der Wand.

Machen Muslime so etwas?

Wutentbrannt kommt eine mit Kopftuch bedeckte Frau durch die Eingangstür gelaufen, ihren kleinen Sohn an der Hand. "Machen Muslime so etwas?" ruft sie voller Empörung. "Binden sich gläubige Menschen Sprengstoff um den Bauch?" Ihre drei älteren Söhne dienten in der libanesischen Armee, das sei der geeignete Ort für anständige Libanesen, sagt sie - "für Christen wie für Muslime".

In gleich drei Häusern in der von Autowerkstätten und kleinen Handwerksbetrieben gesäumten Maderis-Straße suchten die Islamisten am Wochenende Unterschlupf.

Überall auf der nur hundert Meter langen Maderis-Straße stehen an diesem Dienstag Anwohner und Arbeiter in kleinen Gruppen zusammen und rekonstruieren das, was am Wochenende passiert ist - die schlimmsten Gefechte im nordlibanesischen Tripoli seit Ende des Bürgerkrieges 1990. In einem scheint man sich eins zu sein: Mit den so genannten muslimischen Kämpfern will keiner etwas zu tun haben. "Wir sind hier alle Nachbarn", sagt Jahija Kamar Ad-Diin, der direkt gegenüber des Wohnhauses der Ainbis eine Autowerkstatt unterhält. "Und wir unterstützen die Armee, unabhängig davon, ob wir politisch hinter der Regierung oder der Opposition stehen."

Armee als Symbol der Einheit

Für Ad-Diin stellt die Armee das wichtigste Symbol nationaler Einheit dar, das die Zedernrepublik hat. "Immer haben äußere Kräfte versucht, sich den Libanon zu unterwerfen - seien es die Syrer, seien es die Palästinenser", sagt der Vater von vier Töchtern. "Damit muss endlich Schluss sein." Auch das harsche Vorgehen der Armee im knapp fünfzehn Kilometer nördlich von Tripoli gelegenen Palästinenserlager, wo sich rund 200 Fatah al-Islam-Kämpfer verschanzt haben, unterstützt er rückhaltlos. "Es kann nicht sein, dass andere ihre Kriege auf unserer Erde durchführen."

Strenge Kontrollen an den Ausfahrten

Die nördliche Ausfahrtsstraße aus der historischen Hafenstadt Richtung syrischer Grenze wird an diesem Dienstag von Checkpoints der Armee verstellt, die die durchfahrenden Autos streng kontrollieren. Etwa zwei Kilometer vor der Einfahrt zum 40.000 Einwohner beherbegenden Palästinenserlager Nahr al-Barid ist kein Durchkommen mehr. Auf einem Gebäude links der Straßensperre haben sich Kamerateams und Fotografen verschanzt, hinter einem grün bewachsenen Hügel steigen mehrere schwarze Rauchsäulen empor. Und den ganzen Vormittag über schallt das dumpfe Donnern der Armeeartillerie über die hügelige Landschaft. Auch vom Meer beschießt die Marine das am Ufer gelegene Lager.

Neue heftige Kämpfe in Tripoli

Noch am Montagabend herrschte Hoffnung, die Kämpfer von Fatah al-Islam würden einem Waffenstillstand zustimmen. Doch keine zwölf Stunden später hat sich die Situation nicht nur in Nahr al-Barid dramatisch verschlechtert: Auch in Tripoli, wo am Montag die Waffen schwiegen, brachen am Vormittag erneut Kämpfe aus. Am Nachmittag bot die Extremisten-Gruppe Fatah al-Islam der Armee einen Waffenstillstand an, wenn sie den Beschuss des Flüchtlingslagers beende. Zuvor hatte die libanesische Regierung den Streitkräften freie Hand im Kampf gegen die islamistische Miliz gegeben.