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Gemeinsame Obsorge sollte kein Feld für Streit der Geschlechter sein

Von Peter Wötzl

Analysen

Etwas per Zwang zu verordnen hat immer einen Haken. Und gewünschte Harmonie kann man schon gar nicht per Gesetz auf Schiene bringen. Das macht die Diskussion um eine automatische gemeinsame Obsorge nach einer Scheidung oder Trennung der Eltern auch so schwierig. | Gipfeltreffen um gemeinsame Obsorge


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Wenn Justizministerin Claudia Bandion-Ordner betont, es gehe um "Kinderpolitik" und nicht um "Frauen- oder Väterpolitik", kann man sich dagegen schwer verwehren. Denn natürlich sollte bei allen Überlegungen das Wohl der Kinder im Mittelpunkt stehen. Denn Scheidungskinder leiden in der Regel unter dem Verlust des weggezogenen Elternteils, sie entwickeln oft Schuldgefühle und verlieren an Selbstwertgefühl, berichten Berater für Ehepaare in Krisensituationen und berufen sich dabei auf Langzeit-Studien der Scheidungsforschung. Auch wenn nicht alle Kinder automatisch mit der Trennung ihrer Eltern Probleme haben müssen.

Zu vergessen ist aber auch nicht, dass Kinder - leider - oft auch zur "Druckmasse" im Streit um Erziehungsfragen werden. Meist verlieren Väter, die völlig von der Betreuung und Erziehung ausgeschlossen werden, auf Dauer den Kontakt zu ihren Kindern. Und das kann in den meisten Fällen wohl ebenso nicht wünschenswert sein.

Also doch verordnen? Dafür spricht, dass dadurch auch ein gewisses Anrecht entsteht, sich um "seine" Kinder kümmern zu müssen und auch zu dürfen. Mit der momentanen Regelung hat die Mutter automatisch die alleinige Obsorge, wenn ein Kind etwa unehelich auf die Welt kommt. Für die gemeinsame Obsorge ist eine extra Antragstellung bei Gericht notwendig. Also ein aktiver Akt, wie es im Justizjargon heißt.

Gegen eine automatische Obsorge nach einer Scheidung spricht sich momentan die SPÖ aus - auch mit guten Argumenten. Es gehe nicht um einen "Kampf", sondern um maßgeschneiderte Lösungen für die Betroffenen. Eine automatische gemeinsame Obsorge sei eine "verordnete Verpflichtung", die kein Verständnis der Eltern voraussetze.

Wenn sich Eltern auf eine Obsorge zu zweit nicht einigen konnten, habe das Gründe. Und in so einem Fall könne der Staat schon gar nichts von oben per Dekret anordnen. "Verordnete Harmonie" wird in diesem Fall als Rückschritt im Familienrecht gesehen.

Also im Endeffekt dann doch besser auf ein gewisses Laissez-faire vertrauen? Gemeinsame Obsorge ist auf jeden Fall auch schwere Arbeit, wissen Erziehungsexperten. Darauf muss man sich einlassen wollen aber auch können. Gespräche führen und aufeinander zugehen hat nichts mit Sozialromantik zu tun, sondern sollte im Interesse der Kinder geschehen.

Und vielleicht sollte da und dort das eigene Ego - ob weiblich oder männlich - einfach einmal in den Hintergrund treten. Aber auch das kann man zugegebenermaßen nicht wirklich per neuem Gesetz verordnen.