Künftig sollen, so sieht es ein vom Ministerrat bereits beschlossener Gesetzentwurf zum Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz vor, beide Eltern die gemeinsame Obsorge auch nach einer Scheidung wahrnehmen können. SPÖ und Grüne sind gegen diese Neuregelung und hoffen, dass die Regierung die Stellungnahmen der Experten, die am Freitag zu einem Hearing in den Justizausschuss des Nationalrates geladen waren, berücksichtigen. Diese sind sich aber nicht ganz einig.
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Voraussetzung für die Gemeinsame Obsorge ist eine vorhergehende Einigung der Eltern über den Ort, wo sich das Kind hauptsächlich aufhält und ein Antrag. Einigen sich die Eltern nicht über den Aufenthaltsort des Kindes oder ist ein Elternteil gegen Gemeinsame Obsorge, muss das Gericht entscheiden, wer die alleinige Obsorge hat. Die Gemeinsame Obsorge kann auf Antrag eines Elternteils beendet werden: "..beantragt ein Elternteil die Aufhebung dieser Obsorge, so hat das Gericht, wenn es nicht gelingt eine gütliche Einigung herbeizuführen, jenen Elternteil mit der Obsorge allein zu betreuen, bei dem sich das Kind hauptsächlich aufhält."
Wie die Eltern die Gemeinsame Obsorge gestalten, soll ihnen weitgehend selbst überlassen werden. Die Alltagsangelegenheiten - z. B. Schulangelegenheiten, aber auch Reisepassantrag und ähnliches - wird weiterhin der Elternteil, bei dem das Kind wohnt, allein regeln können.
"Wo´s geht, geht´s jetzt auch und dort, wo´s nicht geht, wird es auch später nicht gehen", sieht der Kinderpsychiater Univ. Prof. Max Friedrich keinen gesetzlichen Handlungsbedarf. "Wir brauchen mit Sicherheit kein Gutachtergesetz", sagte Friedrich. Seiner Ansicht nach hätte es gereicht, die Informationspflichten und das Informationsrecht auszubauen, "weil es für viele Väter unerträglich ist, erst beim nächsten Besuchstermin wichtige Dinge ihrer Kinder zu erfahren". Über allen Entscheidungen müsse das Kindeswohl stehen, daher wünscht sich Friedrich Richter, die profunde Kenntnisse in der Entwicklungspsychologie, Psychopathologie, Soziologie, Familiendynamik und Gruppendynamik haben.
Sollte der Gesetzesentwurf Realität werden, befürchtet Friedrich auch, dass Väter die Gemeinsame Obsorge abtauschen: "Ich warte auf jenen Anwalt, der dann sagt, ich fordere Halbe-Halbe. Wo sind die Sicherheitsnetze im Gesetz, die dafür sorgen, dass das nicht passiert?"
Der Psychotherapeut Univ. Prof. Helmuth Figdor hält die Möglichkeit zur Gemeinsamen Obsorge für richtig. Er erwartet zwar nicht, dass es dann allen Scheidungskindern "gut geht", aber zumindest doch, "dass ein bisschen weniger Väter ihre Kinder im Stich lassen und ein bisschen weniger Mütter den Kontakt zum Vater torpedieren". 40% der Väter brechen - laut Untersuchungen - nach einer dreijährigen Trennung den Kontakt zu ihren Kindern völlig ab. Figdor sprach auch von "Kastrationsängsten" der Männer, die mit einer Scheidung und dem Verlust der Kinder einhergehen. Ein Gesetz allein könne die Fähigkeit der Eltern, gemeinsame Obsorge auch zu leben, aber nicht garantieren.
In Deutschland, wo die "gemeinsame elterliche Sorge" 1998 eingeführt wurde, habe man bisher recht gute Erfahrungen gemacht, berichtete der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstages Ulrich Deisenhofer. In 60% aller Scheidungen gibt es in Deutschland automatisch das gemeinsame Sorgerecht. Aber auch er findet, dass die Gemeinsame Obsorge noch nicht "das allein selig machende Mittel ist". Wichtig sei das Bemühen der Familienrichter, das Besuchsrecht so umzusetzen, dass es zum Wohl des Kindes ist.