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Gemeinwohl vor Gewinnstreben

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft

Damit in liberalisierten Märkten die Daseinsvorsorge gesichert ist.


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Wien.

Das Wohl der Allgemeinheit ist gefährdet, wenn der Staat immer mehr Verantwortung abgibt.
© © Yuri Arcurs - Fotolia

Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten, Seniorenheime, Trinkwasserversorgung, Postämter, öffentlicher Nahverkehrsnetze, Müllabfuhr: Ein hochwertiges Angebot an öffentlichen Leistungen für die Allgemeinheit trägt wesentlich zur Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger bei.

In der EU wurden bereits zahlreiche staatliche Monopole gebrochen und Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge liberalisiert, privatisiert, teilprivatisiert oder ausgelagert. "Weitere Liberalisierungsschritte dürfen die Versorgungssicherheit der Bürger nicht gefährden", sagt Sylvia Freygner. Die Wiener Rechtsanwältin hat den Public Social Responsibility Code (CPSR) kreiert, den - wenn es nach ihren Wünschen geht - möglichst viele Gebietskörperschaften und Unternehmen, die öffentliche Dienstleistungen erbringen, sowie ihre Partnerunternehmen anerkennen.

Wer sich den Code auf die Fahnen heftet, muss dazu beitragen, dass Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ("DAWI") sicher, verlässlich und in bestimmter Qualität und Güte angeboten werden und dass der Zugang zu einer preislich erschwinglichen Grundversorgung weiterhin offen steht. "In einer Demokratie hat der Staat eine gesicherte Grundversorgung und Infrastruktur zu gewährleisten", konstatiert Freygner in ihrer Funktion als Vorstand des von ihr gegründeten Instituts für Public Social Responsibility. In Frankreich sei die Daseinsvorsorge in der Verfassung verankert, während in Österreich kein verfassungsrechtlicher Anspruch darauf bestehe. Umso wichtiger sei es, ein Instrumentarium zu schaffen, mit dem ein Beitrag für die Erhaltung von Werten der europäischen Gemeinschaft und einer gemeinwohlorientierten Gesellschaftsordnung geleistet wird.

Verantwortung als Basis

Als assoziierte Unternehmen, die den Kodex anerkennen, konnte Freygner bereits die Raiffeisen Bank International, die Altstoff Recycling Austria (ARA), Rewe International, den ÖAMTC und Strukton Rail gewinnen.

"In einer Stadt ohne Lebensmittelgeschäft fehlt ein Stück Leben", sagt Frank Hensel, Vorstandsvorsitzender der Rewe International AG. Deren Handelsfirmen, insbesondere auch die selbständigen Adeg-Kaufleute, hätten sich dazu verschrieben, den Menschen in ganz Österreich eine optimale Grund- und Nahversorgung zu gewährleisten. "Durch die Unterstützung der PSR-Initiative und das Bekenntnis von Adeg zur Einhaltung des PSR-Kodex möchten wir noch stärker zur Sicherung regionaler Daseinsversorgung und dem Erhalt der Lebensqualität in Österreich beitragen", so Hensel.

"Gesellschaftliche Verantwortung ist die Basis der Arbeit einer Nothilfeorganisation - ob bei der Pannenhilfe auf der Straße oder bei Verkehrssicherheitskampagnen", so Christoph Mondl, stellvertretender Generalsekretär des ÖAMTC.

Für die Politik bedeutet PSR die Aufnahme von Qualitäts- und Sozialkriterien in Vergabeverfahren - damit nicht Unternehmen zum Zug kommen, die nur nach kurzfristigem Profit streben und sich die Rosinen aus dem Kuchen rauspicken, so Freygner. Ihre Vision: Wirtschaft und Politik arbeiten Schulter an Schulter an einer qualitätsgesicherten Daseinsvorsorge im liberalisierten Markt.

Drei Regelkategorien

Der (rechtlich unverbindliche) Code umfasst drei Regelkategorien. Legal Requirements (L) beruhen auf zwingenden Rechtsvorschriften, etwa Arbeitnehmer- und Datenschutz. C-Regeln ("Comply or Explain") sind Regeln, deren Einhaltung empfohlen wird. Eine Abweichung muss erklärt und begründet werden, um ein dem Kodex konformes Verhalten zu erreichen. So sollen sich Dienstleistungserbringer, die den Kodex anerkennen, etwa dazu verpflichten, einen Datenschutzbeauftragten zu ernennen. Standards (S) schließlich dienen als Leitlinie für den Aufbau eines unternehmensinternen Programms, das in einem PSR-Bericht abgebildet werden soll. Verantwortungsvoller Umgang mit dem Auftrag zur Grundversorgung gegenüber den Konsumenten zählt hier genauso dazu wie faire und transparente Vertragsmodelle.

Das PSR-Institut und seine Proponenten

Um den Gedanken von Public Social Responsibility (PSR) mit Experten ubnd Stakeholdern weiter zu entwickeln und zu verbreiten, wurde von Sylvia Freygner das gemeinnützige Institut für Public Social Responsibility gegründet. Freygner fand für ihre Initiative Unterstützer im Gemeinde- und im Städtebund, im Verband der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft (VÖWSG) sowie im CEEP (European Centre of Employers and Enterprises providing Public services).
Am 23. Jänner 2012 konstituiert sich der wissenschaftliche Beirat des Instituts. Als Vorsitzende konnten Maria Kubitschek, Chefin des Kabinetts von Verkehrsministerin Doris Bures, Vergaberechtsexperte Josef Aicher und Walter Leiss, Generalsekretär des Gemeindebunds, gewonnen werden.