Der Impflotterie droht das Aus. Türkis-Grün sollte das als glückliche Fügung wider die eigenen Absichten verstehen.
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Das genuin Österreichische an der heimischen Politik, so erklärte es einmal der 2019 verstorbene Politologe Peter Gerlich, liege in der besonderen Herangehensweise an Probleme. Diese beschrieb der begnadete Österreich-Erklärer als "therapeutischen Nihilismus", der Probleme so lange ignoriere oder verschleppe, bis diese aufhörten, Problem zu sein. Sei es durch Verschwinden oder Gewöhnung.
Zu den Spezifika der heimischen Politik gehört allerdings auch ein bemerkenswertes Talent, unablässig neue Probleme zu schaffen und bestehende noch weiter zu vergrößern. Das Gemurkse um die Impflotterie fällt in diese Kategorie. Als ein solcher Anreiz noch sinnvoll gewesen wäre - also im vergangenen Sommer und Herbst mit genügend Impfstoff und zu wenigen Impfwilligen -, waren ÖVP und Grüne dagegen; als man sich im Jänner der politischen wie rechtlichen Tücken der Impfpflicht bewusst wurde und der Regierung die Unterstützung der SPÖ lieb und teuer war, wurde sie plötzlich aus dem Hut gezaubert. Ohne jede Vorbereitung oder Klärung der rechtlichen Fragen.
Jetzt stehen die Zeichen auf ein Aus für die Impflotterie, auch wenn die Regierung noch nach Wegen der Umsetzung fahnden will. Als ob Türkis-Grün nicht schon genug Sorgen und Probleme hätte, hat sich die Regierung mit ihrem Vorgehen von ganz allein ein weiteres Mal in die Nesseln gesetzt. Die Impfpflicht polarisiert heftig, aber sie stößt immerhin auch auf beträchtliche Unterstützung. Davon kann bei der seltsamen Verlosung von 750 Millionen Euro allein dafür, dass sich Menschen an ein geltendes Gesetz halten, keine Rede sein.
Die Regierung sollte die sich auftürmenden Probleme bei der Umsetzung der Lotterie als Glück im Unglück betrachten und das missratene Gewinnspiel zur Gänze abblasen. Es ist weder ein Zeichen von Stärke noch von Klugheit, auf einem schlecht bis gar nicht durchdachten Vorhaben zu beharren, an dem praktisch alles falsch und nichts richtig ist.
Gelegenheit, Anreize zur neuerlichen Pandemievorsorge zu treffen, wird es im Sommer und Herbst zur Genüge geben, vom hartnäckigen Maskentragen bis zur Grippe-Impfung - und wie sich das mit der Impfpflicht für Corona wirklich entwickeln wird, vermag heute noch niemand mit Gewissheit zu sagen.
Dennoch wird die SPÖ darauf beharren, für ihre Zustimmung zur Impfpflicht den ihr versprochenen Preis zu erhalten; "quid pro quo" ist nicht umsonst eine Erfindung der Politik. Das sollte jedoch nicht als Freibrief missverstanden werden. Jeder Kuhhandel steht unter Vernunftpflicht. Geldverbrennen zählt nicht dazu.