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Gene vermehren sich selbst

Von Friedrich Katscher

Wissen

Die Hardware der Gene sind chemische Substanzen. | Proteine steuern Grundfunktionen des Körpers. | Wien. Ein heranwachsendes Kind sieht staunend, dass sich alle Lebewesen ohne unser Zutun vermehren, wobei die Fortpflanzung der Nützlinge, etwa der Nahrung liefernden Tiere und Pflanzen, meist begrüßt wird, während jene der Krankheitsüberträger oder -erreger gefährlich bis tödlich sein kann.


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Nach Vorarbeiten in den 30er und 40er Jahren wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Rätsel des Lebens gelöst: Die Vermehrung alles Lebenden geht im Grunde auf die völlig selbsttätige Vervielfältigung von biochemischen Molekülen, den Genen, zurück. Fast würde man sagen, diese folge einem inneren Zwang, aber in Wirklichkeit gehorcht sie nur physikalischen und chemischen Gesetzen.

Wenn entsprechende Voraussetzungen vorhanden sind, die nötigen Rohstoffe und richtigen Umweltbedingungen, dann vermehren sich die Gene ganz automatisch. Und sie sind der Anfang einer Kette, die zu neuen Viren, Zellen, Vielzellern, Pflanzen, Tieren und Menschen führt.

Was steckt eigentlich hinter diesem rätselhaften Wort Gen? Vielleicht ist es am besten zu verstehen, wenn wir einen Vergleich mit einem Computer machen. Dieses moderne Informationswerkzeug besteht aus Hardware, das heißt, aus elektronischen und anderen Bestandteilen, und es hat eine Aufgabe: Es soll Buchstaben oder Bilder auf den Bildschirm oder auf Papier zaubern oder Töne erzeugen. Doch damit das auf sinnvolle Weise geschieht, so dass ein gewünschter Text, gesprochene Worte oder Melodien hervorgebracht werden, ist Software, ein Programm, nötig.

Lange, fadenförmige Riesenmoleküle

Die Hardware der Gene sind chemische Substanzen, fadenförmige Riesenmoleküle aus Tausenden Atomen, lange Ketten, die aus nur vier verschiedenen Kettengliedern (Nukleotiden) zusammengesetzt sind. Sehr wesentlich ist dabei die Aufeinanderfolge (Sequenz) der Kettenglieder. Wenn man sie mit den Anfangsbuchstaben ihrer chemischen Namen abkürzt, A, C, G, T, dann bildet ihre Reihenfolge gewissermaßen ein sehr langes Wort und damit ein Gen richtig funktioniert, muss jeder Buchstabe an der richtigen Stelle stehen. Übrigens hat die chemische Substanz der Gene einen Namen, den jeder schon gehört hat: Desoxyribonukleinsäure, englisch Deoxyribonucleic (ohne s) Acid mit den Abkürzungen DNS oder häufiger DNA.

Die Aufgabe der Gene lässt sich einfach ausdrücken: Die wichtigste chemische Grundlage des Lebens sind die Proteine, die Eiweißstoffe, die nicht nur zu den Hauptbausteinen der Lebewesen gehören, sondern auch viele Funktionen bei Lebensvorgängen haben. Die meisten Menschen kennen die Proteine als Hauptnahrungsbestandteil neben Kohlenhydraten und Fetten. Die Aufgabe der Gene besteht darin, dafür zu sorgen, dass neue Proteine richtig zusammengebaut werden. Die Proteine sind ebenfalls kettenförmige Moleküle, aus 20 verschiedenen Kettengliedern (Aminosäuren) zusammengesetzt, und das Programm der Gene besteht darin, die Kettenglieder in der richtigen Reihenfolge aneinander zu reihen, so dass das gewünschte Protein entsteht.

Schwere Schäden durch falsche Proteine

Die Proteine, die wir mit der Nahrung aufnehmen, werden bei der Verdauung in ihre Grundbausteine, die Aminosäuren, zerlegt, und mit Hilfe der Gene in unseren Zellen werden jene Proteine zusammengebaut, die für das Funktionieren des Körpers nötig sind. Bei vielen Erbkrankheiten ist die Aufeinanderfolge der Buchstaben A, C, G, T eines Gens fehlerhaft. Daraufhin wird ein falsches Protein erzeugt, welches schweren Schaden anrichten kann. Wir wollen den Mechanismus des äußerst komplizierten Zusammenbaues der Proteine unter der Anleitung der Gene nicht näher beschreiben, sondern nur festhalten, dass die Aufeinanderfolge der Nukleotide A, C, G, T in einem Gen die Aufeinanderfolge der Aminosäuren in dem mit seiner Hilfe geschaffenen Protein bestimmt.