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General auf kriminellen Abwegen

Von WZ-Korrespondent Christian Weisflog

Politik
Schamanow: Ein Schlächter und Mafia-Protegé. Foto: ap

Schamanow hetzte Spezialeinheiten auf Justizbeamte. | Verwandter Mafia-Boss auf der Flucht. | Moskau. Ein russischer Offizier benutzt seine Befehlsgewalt, um sich über Justiz und Gesetze hinwegzusetzen. In Russland ist dies die Regel, nicht die Ausnahme. Das Ungewöhnliche im Fall von Wladimir Schamanow ist jedoch, dass Beweise dafür in die Presse gelangten. Dies ist umso erstaunlicher, als es sich beim Betroffenen um den Chef der russischen Luftlandetruppe handelt, der vom Kreml mit dem Titel "Held Russlands" ausgezeichnet wurde.


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Die von der regierungskritischen Zeitung "Nowaja Gaseta" am Sonntag veröffentlichten Telefongespräche sind bemerkenswert: Darin befahl der Generalleutnant einem Untergebenen, mit zwei Spezialeinheiten zu einer Fabrik namens "Sporttek" aufzubrechen. Dort sollten sie Oleg Zelipotkin, Ermittler der Moskauer Staatsanwaltschaft "für besonders wichtige Fälle", an einer Durchsuchung hindern.

Mögliche Flucht nach Österreich

Das Pikante dabei: Die Fabrik gehört Schamanows Schwiegersohn Alexej Chramuschin, der als Autorität der tatarischen Mafia unter dem Namen "Glyba" (Felsblock) bekannt ist. Chramuschin befindet sich momentan auf der Flucht. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt ihn, Drahtzieher eines Auftragsmordes zu sein, und hat ihn international zur Fahndung ausgeschrieben.

Gemäss der "Nowaja Gaseta" befindet er sich entweder in Holland oder Österreich.

Um die Firma "Sporttek", deren Vermögenswerte auf 10 bis 20 Millionen Dollar geschätzt werden, kümmert sich derweil die Familie Schamanow. Juri, der Sohn des Generals, ist Mitglied des Aufsichtsrates. Der Tochter Swetlana, Chramuschins Frau, gehören 50 Prozent der "Sporttek"-Aktien. Sie hat deshalb bereits einen Brief an die Staatsanwaltschaft geschrieben mit der Bitte, die beschlagnahmten Aktien wieder frei zu geben.

Kriegsverbrechen in Tschetschenien

General Schamanow war gegenüber der "Nowaja Gaseta" nicht zu einer Stellungnahme bereit. In einem Schreiben bezeichnete der Chef der russischen Luftlandetruppen die Angelegenheit als "Privatsache". Wirkliche Sorgen wird sich der 52-Jährige wegen der Publikation wohl nicht machen. Er hat schon Ärgeres überstanden: Menschenrechtler werfen dem ehemaligen Befehlshaber im zweiten Tschetschenienkrieg schwere Kriegsverbrechen vor.

Laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch haben russische Truppen unter Schamanows Führung im tschetschenischen Dorf Alchan-Jurt 1999 ein Massaker angerichtet. Unter anderem wurden 14 Zivilisten hingerichtet. In einem Entscheid von 2005 machte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Schamanow für die "massive Anwendung" von Waffen verantwortlich, deren Streubreite keine Unterscheidung von zivilen und militärischen Zielen erlaubten. Der tschetschenische Duma-Abgeordnete Aslambek Aslachanow bezeichnete Schamanow 2000 als "Schlächter des tschetschenischen Volkes".

Kaum eine Gefahr für die Karriere

Solche Vorwürfe lassen einen russischen General von Schamanows Format jedoch kalt. Auf die Verbrechen von Alchan-Jurt angesprochen, antwortete Schamanow 1999: "Wagt es nicht, russische Soldaten anzurühren. Sie vollbringen eine heilige Tat: Sie verteidigen Russland." Im Prozess gegen Oberst Juri Budanow, der ein tschetschenisches Mädchen entführt, vergewaltigt und schließlich erdrosselt hatte, verteidigte Schamanow denn auch seinen fehlbaren Offizier.

Schamanow selbst konnte sich bislang ebenfalls auf die Loyalität seiner Vorgesetzten verlassen. Als Gouverneur von Uljanowsk führte sein Weg nach seinem Rücktritt als Kommandant der 58. Armee zwar zunächst in die Provinz. Doch ab 2004 ging es für Schamanow wieder nach oben, zunächst als Berater des Verteidigungsministers. Als Co-Leiter der russisch-amerikanischen Kommission für Kriegsgefangene und vermisste Soldaten wurde Schamanow 2007 gar von US-Präsident George W. Bush im Oval Office empfangen. Diesen Frühling wurde er zum Chef der russischen Luftlandetruppen ernannt.

Der Kreml hat den Kampf gegen Korruption zu seinem vordringlichsten Ziel erklärt. Wirklich ernst scheint es ihm damit aber nicht zu sein. Wladmir Schamanows Biographie vermittelt jedenfalls diesen Eindruck.