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Neu-Delhi - Die schweren Bombardements der Amerikaner gegen die Taliban nützen einem Kriegsherrn, der in Afghanistan häufig die Fronten wechselte und von Gegnern schlimmster Kriegsverbrechen beschuldigt wird. Der 47-jährige General Abdul Rashid Dostum hofft, zunächst Mazar-i-Sharif und dann die Hauptstadt Kabul erobern zu können. Drei Jahre nachdem die Taliban den gefürchteten usbekischen Milizenführer vertrieben hatten, will er nun mit Hilfe der USA zurück an die Macht.
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Dostum ist eigentlich ein Spitzname und heißt "Jedermanns Freund". Das trifft insofern zu, als Dostum mit seiner Truppe bereits an der Seite der sowjetischen Besatzungstruppen gegen seine afghanischen Landsleute kämpfte, den moskautreuen Präsidenten Najibullah unterstützte, sich dann dessen Feinden, den Mudschahedin, anschloss, und nun den USA seine militärischen Dienste anbietet.
Auch der Beinamen "Jedermanns Feind" würde passen, denn Abdul Rashid hat sich nicht nur gegen die Kommunisten, sondern im Bürgerkrieg zwischen 1992 und 1994 auch gegen mehrere Mudschahedin gestellt, mit denen er zuvor verbündet war. Erst versuchte er mit dem inzwischen ermordeten Tadschiken Ahmed Schah Massud den Milizenführer Gulbuddin Hekmatyar zu beseitigen, wenig später marschierte er mit Hekmatyar gegen Massud.
In dieser Zeit war Dostum an der Zerstörung Kabuls beteiligt, bei der 50.000 Zivilisten getötet wurden. Seiner Truppe werden auch zahlreiche Morde, Vergewaltigungen und Plünderungen an Zivilisten zur Last gelegt, die nicht Usbeken waren, wie ein Afghanistan-Handbuch für Hilfsorganisationen verzeichnet. Dostums Miliz galt als skrupelloser Haufen von "Wendehälsen".
Dostum, der zur usbekischen Minderheit in Afghanistan gehört, konzentrierte sich Mitte der 90er Jahre darauf, in der Provinz Balch in seiner Heimat im Norden Afghanistans einen Kleinstaat aufzubauen. Zeitweise betrieb er sogar die eigene Fluglinie "Balch Air", die Zentralasien und die Golfstaaten anflog. Nach einem Verrat durch seinen Gefolgsmann Abdul Malik und einem kurzen Comeback musste er 1998 vor den Taliban fliehen.
Falls Dostum in den Kampf der USA gegen die Taliban entscheidend eingreift, wird er dafür nach Ansicht von Beobachtern eine führende Rolle in einer künftigen Regierung Afghanistans spielen wollen. Der großen Mehrheit der Afghanen wäre das unheimlich, denn Dostum gilt nicht nur als ungläubig, sondern auch als rücksichtsloser Machtmensch, auf dessen Bündnistreue keinerlei Verlass ist. dpa