US-Autobranche sieht noch kein Ende der Krise. | GM will bis zu 30 Milliarden Dollar Staatshilfe, Chrysler braucht auch mehr. | Rüsselsheim/Washington. Zu Beginn der großen Wirtschaftskrise 1929 kaufte General Motors (GM) den größten Autobauer Europas, die Adam Opel AG - um die damals beträchtliche Summe von 33,4 Millionen Dollar. 2009, mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seither, könnte Opel wieder europäisch werden: Die GM-Führung schließt die Hereinnahme von Investoren und einen getrennten Weg ihrer europäischen Töchter nicht mehr aus.
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In den europäischen Werken von General Motors wächst angesichts des harten Sanierungskurses der US-Mutter die Angst um die Arbeitsplätze. In der Nacht zum Mittwoch hat GM-Chef Rick Wagoner angekündigt, der Konzern werde 47.000 Stellen streichen - davon 26.000 außerhalb der USA.
Auch in der amerikanischen Heimat will GM fünf Werke schließen. Weltweit beschäftigt der Autobauer noch 245.000 Mitarbeiter. Im GM-Powertrain-Werk in Wien-Aspern, das Opel vor allem Motoren und Getriebe zuliefert, müssen wegen der Autokrise schon seit Mitte Jänner 1540 von insgesamt 1850 Mitarbeitern kurzarbeiten.
Verkauf: Saab, Hummer, Saturn und auch Opel?
Das Schicksal der vier deutschen Werke mit zusammen fast 26.000 Mitarbeitern ließ Wagoner bei einer Pressekonferenz am Firmensitz in Detroit offen. Damit ist weiterhin unklar, ob GM die Standorte Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern schließen oder Opel komplett verkaufen will. Die Marken Saab in Schweden sowie Hummer und Saturn in den USA stehen zum Verkauf.
In dem der US-Regierung in Washington vorgelegten Sanierungsplan verlangte GM, die bisher erhaltenen staatlichen Hilfen im schlimmsten Fall bis 2011 auf bis zu 30 Milliarden Dollar (23,7 Milliarden Euro) aufzustocken. Bei einer weniger schlechten wirtschaftlichen Entwicklung würden "nur" 22,5 Milliarden Dollar benötigt.
Über die Zukunft von Opel und Saab gebe es Gespräche mit Deutschland und Schweden, sagte Wagoner, ohne auf Details einzugehen. Opel verhandelt seit geraumer Zeit mit der deutschen Regierung über eine Staatsbürgschaft von bis zu 1,8 Milliarden Euro. Mehrere deutsche Bundesländer haben zuletzt auch Beteiligungen an Opel nicht ausgeschlossen, um Arbeitsplätze im Lande zu sichern.
Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte bereits am Dienstag berichtet, GM prüfe die Schließung und den Verkauf von drei Werken in Europa. Die Standorte Bochum und Antwerpen könnten geschlossen, Eisenach verkauft werden.
Für das Saab-Werk im schwedischen Trollhättan müsste der Staat mit einer Kreditbürgschaft einspringen, um eine Insolvenz schon in diesem Monat zu verhindern, hieß es. Ziel sei eine Abspaltung von Saab, das bei einer Unterstützung durch die schwedische Regierung zum 1. Jänner 2010 ein unabhängiges Unternehmen sein könne. Unterdessen kündigte die Regierung in Stockholm an, Saab werde ein Darlehen bei der Europäischen Investitionsbank beantragen, für das der Staat bürgen wolle.
GM: Insolvenz käme noch viel teurer
Bisher hat GM von der US-Regierung schon 13,4 Milliarden Dollar zugesagt bekommen. Nun fordert der US-Branchenführer insgesamt weitere 16,6 Milliarden bis 2012. Ein geordnetes Insolvenzverfahren mit Gläubigerschutz nach Chapter 11 - wie es von Kongressmitgliedern in Washington nach der Vorlage des 117 Seiten umfassenden Sanierungsplans nicht mehr ausgeschlossen wurde - würde dagegen laut GM noch viel teurer werden und sogar bis zu 100 Milliarden Dollar kosten.
Die Regierung werde zunächst die vorgelegten Sanierungspläne prüfen, erklärte daraufhin der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs. Von allen beteiligten Parteien - Gläubigern, Zulieferern, Händlern, Gewerkschaften und Management - werde aber noch mehr verlangt, um die künftige Lebensfähigkeit der Unternehmen zu garantieren.
Die Präsidentin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hofft, dass es mit der Vorlage der Sanierungspläne jetzt eine Grundlage für die Erneuerung der Branche gebe. Der Kongress werde mit der Regierung eng zusammenarbeiten, um die Wettbewerbsfähigkeit der Autoproduzenten wiederherzustellen, sagte sie. Dabei werde man aber "die Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern nicht aus den Augen verlieren". Das US-Finanzministerium entscheidet bis 31. März, ob es weiteres Geld bereitstellt.
Chrysler fährt die Produktion zurück
Der ebenfalls ums Überleben kämpfende Autobauer Chrysler will von der US-Regierung nochmals mindestens fünf Milliarden Dollar an Notkrediten bekommen. Der drittgrößte US-Hersteller kündigte in seinem Sanierungsplan zudem den Abbau von weiteren rund 3000 Stellen an. Das Unternehmen will heuer seine Fixkosten um weitere 700 Millionen Dollar senken, den Bau von drei Fahrzeugmodellen einstellen und seine Produktionskapazitäten um 100.000 Fahrzeuge zurückfahren. Chrysler erklärte, dank seiner strategischen Partnerschaft mit Fiat sowie bereits eingeholten Zugeständnissen von Gewerkschaften, Zulieferern und Gläubigern das Überleben des Konzerns sichern zu können. Gleichzeitig wurde eine Rückzahlung der Staatshilfe bis 2012 zugesagt.
Die Gewerkschaften einigten sich unterdessen mit GM, Chrysler und Ford darauf, den Unternehmen bei der Bewältigung der Krise zu helfen. Es sei eine Absichtserklärung vereinbart worden, hieß es. Über deren Inhalt wollte die Gewerkschaft United Auto Workers vorerst aber noch keine näheren Angaben machen.