US-Konzern brüskiert Europäer. | Experten zweifeln an Sanierung. | Detroit. Es war ein Paukenschlag, mit dem kaum jemand gerechnet hatte. Der Rückzieher von General Motors (GM) beim Opel-Verkauf spiegelt das neue Selbstbewusstsein der Amerikaner wieder. Und stößt halb Europa vor den Kopf.
Vor fast genau einem Jahr, am 14. November 2008, war Opel als Bittsteller vor die deutsche Regierung und die Bundesländer getreten. Der Autobauer benötigte damals dringend einen Überbrückungskredit, um nicht mit seiner US-Mutter GM in die Insolvenz gerissen zu werden. Jetzt will der GM-Verwaltungsrat die Sanierung selbst in Angriff nehmen.
"Das Geschäftsumfeld in Europa ist angespannt, hat sich aber verbessert", erklärte dazu GM-Präsident Fritz Henderson. Noch am 30. Oktober hatte er sich für den Verkauf von 55 Prozent an Magna und die russische Sberbank stark gemacht.
10 Prozent hätten die Mitarbeiter erhalten sollen.
Die europäischen Töchter Opel und Vauxhall (die britische Schwestermarke) seien für die "globale Strategie" des Konzerns wichtig, heißt es nun. Tatsächlich verfügt die deutsche Traditionsmarke über die modernere Technologie - vor allem bei spritsparenden Kleinwägen. Einzelne Mitglieder des GM-Verwaltungsrates waren zudem der Meinung, Opel wäre als eigene Automarke zu klein gewesen - dem GM-Konzernverbund hätte hingegen der Zugang zum europäischen Markt gefehlt. GM sei heute finanziell stabiler als vor einigen Monaten.
Kaum Entgegenkommen
Dennoch bleibt die große Frage, wie GM die Opel-Sanierung stemmen will. Der US-Konzern hatte im Oktober zwar noch 13,6 Milliarden Dollar auf einem Treuhandkonto des US-Finanzministeriums liegen. Diese Geldmittel dürften aber nur mit Zustimmung der US-Regierung für GM-Auslandstöchter wie Opel verwendet werden.
Die Restruktierungskosten beziffert das Unternehmen mit 3 Milliarden Euro. Die Wirtschaftsprüfer von KPMG hatten im September allerdings einen Bedarf von mehr als 4 Milliarden Euro berechnet. Und die Empörung bei deutschen Regierungspolitikern lässt erwarten, dass GM das 1,5-Milliarden-Euro-Darlehen bis Ende November zurückzahlen muss.
"Wir werden den Restrukturierungsplan in Kürze der deutschen und anderen europäischen Regierungen vorstellen und hoffen auf eine konstruktive Beurteilung", sagte Henderson dennoch. Offenbar soll die Sanierung mit staatlich verbürgten Krediten finanziert werden. Dabei ist fraglich, welche Länder sich nach dem laut Henderson "für alle Beteiligten zermürbenden" Verhandlungsmarathon darauf einlassen - und wenn, so würde wohl erneut ein Ringen um Jobabbau und Werksschließungen folgen. Offen ist ferner, ob die Arbeitnehmer, wie von GM verlangt, die Sanierung durch eigenen Verzicht mittragen. Die Verhandlungen müssten von Neuem beginnen - dabei fehlt GM neben Barmitteln vor allem eines: Zeit.
Einen Teil der Magna-Strategie will sich GM zueigen machen: Die Amerikaner wollen künftig mit dem russischen Autobauer Gaz zusammenarbeiten.
Demotivierte Mitarbeiter
Es bleiben große Zweifel: GM sei eben aus der Insolvenz gekommen und fahre nun mit höchstmöglichem Risiko, sagt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer: "Russland wird für Opel-GM deutlich schwieriger als für Opel-Magna-Gaz." GM müsse den x-ten Sanierungsplan ausarbeiten: "Und das mit enttäuschten Mitarbeitern, einem weiter geschwächten Management und hohen Verlusten, die finanziert werden müssen."
Opel-Kenner Wolfgang Meinig prognostiziert radikale Schnitte: "Ich möchte nicht ausschließen, dass GM Opel in die Insolvenz schickt." Die Belegschaft müsse sich auf deutlich mehr Jobstreichungen gefasst machen. Und schließlich sei auch der US-Konzern selbst noch nicht über den Berg.