Vor 225 Jahren wurde George Washington als erster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika angelobt - und blieb es zwei Amtszeiten lang. Keiner der Nachfolger erreichte seine Popularität und Integrationskraft.
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Der vormalige Milizionär, Tabakpflanzer und Landvermesser George Washington wurde 1775 im Unabhängigkeitskampf gegen Großbritannien zum Oberbefehlshaber der amerikanisch-patriotischen Armee ernannt. Der 1732 in Virginia (Wakefield) in eine wohlhabende, englischstämmige Familie geborene Oberst beendete damit eine private Rückzugsphase in das Gut seines Halbbruders am Mount Vernon (Virginia). Nun musste er mit den schlecht ausgebildeten, bunt zusammengewürfelten Truppen gegen eine besser ausgebildete, aber unter langen Nachschubwegen leidende, britisch-deutsche Phalanx anrennen. Ein erster Erfolg zeichnete sich in Boston ab, dann folgten Rückschläge der Pa-trioten. Aber Washington überwand seine Niederlagen, konnte als ausdauernder Stratege punkten und schließlich in Yorktown 1781 die Briten mit französischer Hilfe besiegen.
Neue Verfassung 1787
Nachdem Benjamin Franklin, John Jay und John Adams den Frieden von Paris (1783) ausgehandelt hatten, wurde Washington zwei Jahre später zum Vorsitzenden des zweiten Kontinentalkongresses von Philadelphia gewählt. Hier amtierte er würdevoll, nahm aber an den Verfassungs-Beratungen selten aktiv Anteil. Als Verfassungspolitiker und framers betätigten sich James Madison, John Jay und Alexander Hamilton weitaus intensiver. Sie starteten eine Artikelserie, mit der sie das Volk von New York von den Vorzügen der neuen Verfassung vom 17. 9. 1787 überzeugen wollten.
Obwohl schließlich eine deutliche Mehrheit der Staaten, darunter Virginia und der von Gegnern wie Befürwortern der Union hart umkämpfte Staat New York die neue Verfassung in eigenen Konventen ratifiziert hatten, gab es nach wie vor Ressentiments. Dennoch konnte die Verfassung im Frühjahr 1789, also vor 225 Jahren, in Kraft treten, da die erforderliche Zahl von Staaten, darunter auch das umkämpfte New York, das Verfassungswerk ratifiziert hatte
Als George Washington am 30. April 1789 zum ersten US-Präsident gewählt wurde, stand er vor vielfältigen innen- und außenpolitischen Herausforderungen. Zwar genoss er als siegreicher Kriegsheld des Unabhängigkeitskriegs in allen dreizehn Staaten der Union das höchste Ansehen, aber dennoch schien ein Riss durch die junge Nation zu gehen. Das Einwanderungsland hatte durch den Konflikt mit den einstigen Kolonialherren nicht nur einen hohen Blutzoll entrichtet, sondern auch rund 100.000 wertvolle Bürger aus Großbritannien verloren, die es als Loyalisten und Sympathisanten mit der Krone vorgezogen hatten, ihr nordamerikanisches Siedlungsgebiet zu verlassen.
.Auch nach dem Frieden von Paris traten Konflikte zwischen britisch-loyalen und patriotischen Amerikanern auf, die sich bis in die höchsten politischen Ebenen zogen. Vor allem Thomas Jefferson und James Madison, der spätere dritte und der vierte US-Präsident, standen für eine pro-französische Politik, während Washingtons Schatzmeister, Finanzexperte und "Federalist"-Mitverfasser Alexander Hamilton und seine Parteigänger für eine Annäherung an London eintraten.
Die amerikanisch-britischen Konflikte hatten politische und wirtschaftliche Ursachen. Die nach dem Exodus der Loyalisten ab 1783 brachliegenden Güter hatten die damals noch in einer losen Konföderation aneinander gebundenen amerikanischen Staaten enteignet, die früheren britischen Eigentümer wurden erst elf Jahre später im Jay-Vertrag 1794 entschädigt. Die dreizehn neuenglischen Staaten waren allesamt unabhängige, konfessionell heterogene Republiken, die sich zwecks effektiver Verteidigung zusammengetan hatten.
Erst nach Inkrafttreten der Bundesverfassung im März 1789 lagen Entschädigungsfragen, Außenpolitik und Vertragsabschlüsse in der Hand einer Administration, die dem Präsidenten unterstand. Der ging die Entschädigungsfrage an, denn nur so konnte er Bündnisfreiheit, Neutralität und Isolationismus als politische Leitlinien seiner ersten Amtsperiode verwirklichen. Die eigentliche Herausforderung stellte sich in der zweiten Amtszeit ab 1793, als der erste Koalitionskrieg in Europa ausbrach und sich die USA für neutral erklärten. Das bewirkte allerdings eine Spaltung nach innen; der gallophile Außenminister Jefferson trat zurück, zudem entstanden Konflikte mit dem französischen Gesandten Genêt, der die USA an ihre Ehrenschuld aus dem Unabhängigkeitskrieg erinnerte, als Franzosen Seite an Seite mit Washingtons Truppen gegen die Briten gekämpft und gemeinsam den Sieg gegen King George III. errungen hatten.
Dennoch ließ Präsident Washington keinerlei antibritische Aktivitäten zu und zeigte auch Härte nach innen, als im Westen Pennsylvanias 1794 die "Whisky-Rebellion" (Shay’s Rebellion) wegen neuer Steuern auf das "Feuerwasser" ausbrach. Die Miliz schlug den Aufstand nieder. Außerdem ließ Washington seinen obersten Richter John Jay den erwähnten Vertrag mit der britischen Krone aushandeln, damit der Weg nach Westen frei wurde, wo die Briten ihre Stützpunkte hatten.
Neutralitätspolitik
Ein Jahr später, also 1795, konnte in Greenville die Nordwest-Erweiterung mit den Native Americans vertraglich fixiert werden. Auf diese Weise konnte auch die sogenannte Northwestern Ordinance vom Sommer 1787 zügig umgesetzt werden, welche die Bildung neuer, gleichberechtigter Staaten statt einer Vergrößerung der bestehenden vorsah. Schon 1791 war im Nordosten Vermont als neuer Staat gegründet worden, es folgten 1792 Kentucky und noch in Washingtons Amtszeit Tennessee um 1796; unter Thomas Jeffersons Präsidentschaft kam 1803 Ohio dazu.
Washingtons Neutralitätspolitik und sein Pazifismus als Präsident entsprangen sicherlich nicht einer Konfliktscheu, denn wenn es zu Auseinandersetzungen kam, dann stand der von Joseph Ellis als der ehrgeizigste und entschlossenste der "founding fathers" bezeichnete Ex-General seinen Mann. Niemand zweifelte an seinem Wagemut: Washington galt als unantastbarer Kriegsheld, der schon als Milizionär im French and Indian War mutige Botengänge ins Ohiogebiet für den damaligen Gouverneur von Virginia unternommen hatte.
Vergleicht man die ersten vier Präsidenten, die von 1789 bis 1817 die Geschicke der USA leiteten, so zeigt sich, dass Washingtons Integrationskraft größer war als jene seiner Nachfolger Adams, Jefferson und Madison. Als er Ende April 1789 gewählt wurde, war der General 57 Jahre alt und bereits am Höhepunkt seiner Karriere angelangt. Die Vereinigten Staaten erwiesen sich trotz ihrer nationalen und religiösen Vielgestaltigkeit als überlebensfähig; die Gefahr, dass der Bundesstaat implodieren würde, konnte durch die gelungene Verfassung von 1787 und die charismatische Figur des Präsidenten gebannt werden.
Die Amtseinführung des aristokratisch wirkenden Washington fand in New York im hölzernen Gebäude des Federal Theatre statt. Damals herrschte im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation noch der aufgeklärte, aber absolutistisch und antiklerikal herrschende Kaiser Josef II., der sich in einem sinnlosen Türkenkrieg aufgerieben hatte und bald nach Washingtons Amtsantritt starb. Noch hatten die Habsburger keinen Gesandten in den Staaten und das von einem demokratisch legitimierten Wahlmännerkollegium gewählte, republikanische Staatsoberhaupt schien für einen geheiligten Habsburger auch kein adäquates Gegenüber. Welch historischer Irrtum! Washington sollte mit Kaiser Leopold II. und Franz II. (dem späteren österreichischen Kaiser Franz I.) noch zwei weitere Habsburger als Herrscher eines fern liegenden Reichs erleben.
Präsident Washington amtierte übrigens nicht in der nach ihm benannten Stadt im District of Columbia. Zunächst lag der Regierungssitz in New York, dann wechselte er nach Philadelphia, wo auch der Kontinentalkongress getagt hatte. Nur fünf Städte in den USA hatten damals mehr als 30.000 Einwohner, keine aber mehr als 50.000. Die nach dem Präsidenten benannte Hauptstadt wurde erst zwei Jahre nach dem Tod des Namensgebers und Gründers von Präsident Adams, dem Supreme Court und dem Kongress bezogen.
Tolle Abschiedsrede
Der erste Präsident hätte es natürlich weitaus näher zu seiner Heimat gehabt, da sowohl sein Landsitz Mount Vernon als auch die neue Hauptstadt am Potomac liegen. Vielleicht wählte er deshalb einen für die Südstaaten verkehrsgünstigen Kreuzungsort für die künftige Residenz, die dann sein Nachfolger, der belesene John Adams bezog. Unter Präsident Madison wurde dann vor genau zweihundert Jahren, am 24. August 1814, das auf dem Reißbrett geplante Regierungsviertel von den Briten gebrandschatzt und verwüstet, Kapitol und Weißes Haus brannten nieder - ein Trauma für die Amerikaner, das sich so nicht mehr wiederholen sollte. Der Krieg endete mit einem Patt, Kanada blieb britisch, die Amerikaner behielten ihre Territorien.
Obwohl damals eine dritte Amtsperiode zulässig gewesen wäre, lehnte Präsident Washington das Angebot für eine Kandidatur ab und verabschiedete sich mit einer eindrucksvollen Rede am 17. September 1796 (genau neun Jahre nach dem Verfassungsbeschluss), in der er zu Einigkeit und Bündnisfreiheit aufrief. Keiner seiner Nachfolger konnte dieselbe Popularität und ungeteilte Zustimmung erlangen.
Washington starb am 14. Dezember 1799 in seinem feudalen Landsitz am Mount Vernon, nicht ohne zuvor per Testament seine Sklaven samt Angehörigen freigelassen zu haben. Postum wurde das Gut am Potomac in eine nationale Gedenkstätte umgewandelt.
In Wien erinnert ein im Februar 1934 umkämpfter Gemeindebau an den ersten US-Präsidenten, und zwar der George-Washington-Hof an der Triester Straße in Wien-Favoriten.
Literatur:
Joseph J. Ellis: Seine Exzellenz George Washington. Eine Biografie. Aus dem amerikanischen Englisch von Martin Pfeiffer, C.H. Beck, München 2004.
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Gerhard Strejcek, geboren 1963 in Wien, ist Außerordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und Leiter des Zentrums für Glücksspielforschung an der Universität Wien.