In Vietnam ist der 92-Jährige Nationalheld. Militärhistoriker schätzen General Vo Nguyen Giap für seine brillante Kriegsführung gegen vermeintlich übermächtige Gegner. Mit dem blutigen Sieg seiner kommunistischen Viet-Minh-Kämpfer in der Schlacht von Dien Bien Phu am 7. Mai 1954 beendete er erst das Indochina-Abenteuer der Kolonialmacht Frankreich. Dann nahmen Truppen unter seinem Kommando 21 Jahre später Südvietnams Hauptstadt Saigon ein und jagten die Amerikaner davon.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Im August 1911 als Bauernsohn in einem Dorf der Provinz Quang Binh geboren, führte Giap bereits früh Studentenproteste gegen die französische Kolonialherren.
Er war Mitte 20, als er sich der von Ho Chi Minh gegründeten KP Indochinas anschloss. Während ihm die Flucht nach China eine Festnahme ersparte, starben seine Frau und sein Kind in einem Hanoier Gefängnis. 1941 kehrte Giap als einer der engsten Berater Ho Chi Minhs ins vietnamesische Grenzgebiet zurück, zuständig für Aufbau und Ausbildung einer Guerillaarmee.
Als sein militärisches Meisterstück gilt die entscheidende Stationierung schwerer Artillerie rund um das Tal von Dien Bien Phu, in dem die Franzosen eingekesselt waren, und die logistische Organisation der Schlacht. Der renommierte Südostasienexperte Milton Osborne bescheinigt Giap "einen zweifellos hohen Grad an Talent in militärischen Fragen", das sich immer schwierigeren strategischen Problemen angepasst habe. Nach dem Sieg über die US-Truppen 1975 hatte der Kriegsheld verschiedene hohe Regierungsposten inne.
"Die Niederlage der Franzosen war nicht nur ein Sieg des vietnamesischen Volkes, sondern der ganzen Welt", sagte Giap. Die neuen Feinde von heute seien allerdings Armut und Rückständigkeit. Er habe kürzlich junge Geschäftsleute aufgefordert, sich ein Beispiel an dem Erfolg der Schlacht zu nehmen. "Ihr müsst selbst kleine und große Dien Bien Phus schaffen."
Aus dem unbeugsamen Willen der Vietnamesen lässt sich immer noch einiges lernen. Davon ist Vo Nguyen Giap überzeugt. In einer Pressekonferenz stellte der greise General sich jetzt noch einmal für zwei Stunden den Fragen der Journalisten zu den Ereignissen von damals.
Die Schlacht habe gezeigt, dass "eine Nation sehr stark ist, wenn sie sich entschlossen hat aufzustehen," sagte Giap. "Wir sind sehr stolz darauf, dass Vietnam die erste Kolonie war, die mit dem Sieg von Dien Bien Phu ihre Unabhängigkeit aus eigener Kraft erringen konnte."
Giap war von Präsident Ho Chi Minh mit dem Kommando über die Vietminh-Armee betraut worden, obwohl der Bauernsohn und Lehrer keinerlei militärische Erfahrung hatte. Und er setzte sich in Dien Bien Phu auch über die Ratschläge chinesischer Militärberater hinweg, indem er sich für ein langsameres Vorrücken und ständige kleine Angriffe entschied. "Es war die schwierigste Entscheidung, die ich in meinem Leben, in meiner Militärlaufbahn zu treffen hatte."
Allein der Wille und der Durst nach Freiheit hätten den Kampf der Vietnamesen bei der 56-tägigen Belagerung getragen, erklärt Giap, wobei er mit einem Lächeln hinzufügte, seine Soldaten hätten ihm französische Schokolade gebracht, die sie in abgeworfen Nachschubpaketen der Franzosen fanden.
Am Tag nach dem Sieg kam eine Botschaft von Ho Chi Minh. "Ich erinnere mich noch genau an einen Satz in dem Brief: ,Das ist wirklich ein großer Sieg, aber es ist nur der Anfang'", sagte Giap. "Nur Ho Chi Minh konnte zu dieser Zeit einen solchen Satz schreiben." Und er sollte Recht behalten, denn der Friede war noch lange nicht in Sicht. Was dem Abzug der Franzosen folgte, war die Teilung Vietnams und ein langer, unvorstellbar opferreicher Krieg gegen die Amerikaner, der erst 1975 mit dem Zusammenbruch des südvietnamesischen Regimes zu Ende war.
"Nichts ist wertvoller als Freiheit und Unabhängigkeit!", sagte General Giap. Auch heute sollten große Länder nicht den Unabhängigkeitswillen kleinerer Völker unterschätzen, mahnte er. Zur Lage im Irak könne er sich nicht äußern, sagte Giap, aber als General, der Franzosen und Amerikaner besiegte, habe er doch einen Rat: "Jede Macht, die ihren Willen anderen Ländern aufzwingen will, wird scheitern."