"Beschaffungskriminalität durch Spielsucht ärger als durch Drogensucht."
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Wien. Aus Sorge über die hohe Zahl an Spielsüchtigen hat der Städtebund eine Resolution verabschiedet, die als Generalangriff auf das freie Glücksspiel zu werten ist. Der Städtebund vertritt 245 Städte und praktisch alle österreichischen Gemeinden über 10.000 Einwohner. Vorsitzender und Präsident ist der Wiener Bürgermeister Michael Häupl; er hat die Resolution abgesegnet.
Verbot und Monopol
In der Resolution heißt es unter anderem: "Ein riesiges Problemfeld (..). ist das Onlineglücksspiel. Es ist darauf hinzuarbeiten, ebenso wie in den USA, Online-Glücksspiel und Online-Sportwetten generell zu verbieten." Dieser Bereich entziehe sich der Kontrolle durch die öffentliche Hand.
"Generell verboten" werden soll laut Städtebund außerdem jegliche Glücksspielwerbung, egal in welchem Medium. Im Bereich der viel diskutierten Spielautomaten ("kleines Glücksspiel") fordert der Städtebund nicht weniger als eine "Monopolisierung des kleinen Glücksspiels". Dieser Schritt sei notwendig, um alle Forderungen zum besseren Spielerschutz "effektiver umzusetzen".
Beim kleinen Glücksspiel sind der weltweit agierende Automatenriese Novomatic und die Casinos Austria groß im Spiel. Die Resolution legt sich nicht auf einen Anbieter fest. Aufgrund des staatlichen Anteils hätten die Casinos beim Städtebund wohl bessere Karten aufs Monopol. Für die Automaten fordert der Städtebund Zugangskontrollen, längere Spieldauer pro Einsatz, längere Pausen, niedrigere Einsatzlimits, Maximalverluste pro Woche. Das bestehende Glücksspielgesetz müsse nachgeschärft werden.
Auch die wachsende Zahl an Fußballwettcafés ohne Zugangskontrollen ist dem Städtebund ein Dorn im Auge. Sportwettcafés sollen künftig nicht mehr der Gastronomie, sondern "dem Glücksspielbereich zugerechnet" werden. "Es muss eine strengere Kontrolle der Altersgrenzen geben, um den Jugendschutzbestimmungen gerecht zu werden."
Krise macht doppelt süchtig
Die Resolution markiert eine drastische Wende der Stadt Wien im Umgang mit dem Glücksspiel. Als die kleine Wiener SPÖ-Splittergruppe "Sektion 8" durch einen Überraschungscoup am Landesparteitag 2011 ein Verbot des kleinen Glücksspiels in Wien erwirkte, warnten Parteigranden noch vor den Folgen - nicht für Spieler, sondern für die Stadtkasse: Dort fehlen durch das Verbot ab 2015 über 55 Millionen Euro.
Doch nun heißt es: "Gerade in Zeiten der Krise versucht der Staat an allen Ecken und Enden einzusparen, möglicherweise sogar weitere Einnahmequellen zu erschließen. Keine Volkswirtschaft, außer möglicherweise jene von Monaco oder Dubai, kann es aber ernsthaft in Betracht ziehen, dass Glücksspiel eine nachhaltige Einkommensquelle sein kann." Das Glücksspiel verursache zu hohe soziale Folgekosten.
Der Städtebund zitiert eine "Studie zur Prävention von Glücksspielsucht", wonach es in Österreich 64.000 Spielsüchtige gibt. Unter den Automatenspielern sei "jeder zweite" süchtig. 60 Prozent der Umsätze aus der Glücksspielindustrie würden von einem Prozent der Spieler aufgebracht.
Soziale Reparaturkosten
"Die Beschaffungskriminalität aufgrund von Spielsucht hat jene aufgrund von Drogensucht als Tatmotiv überholt", heißt es in der Resolution weiter. "Hinter Handydiebstählen, Überfällen auf Banken, Trafiken oder Wettcafés steht zunehmend das Motiv der Spielsucht."
Der Generalsekretär des Städtebundes, Thomas Weninger, sagt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Wir Städte und Gemeinden haben die Folgekosten zu tragen und werden zunehmend zur sozialen Reparaturwerkstatt."
Weninger ist bewusst, dass Forderungen wie ein Verbot des Online-Glücksspiels (zu dem Weninger auch Online-Poker zählt), aus Wettbewerbsgründen nicht allein auf nationaler Ebene beschlossen werden können. Doch er glaubt an ein Umdenken in der gesamten Europäischen Union. "Wir sind in Kontakt mit Städten und Gemeinden in ganz Europa und wissen, dass Glücksspiel überall große Probleme macht.
Vor allem der Süden kämpft mit Spielsucht. Kein Zufall: je stärker die Krise, desto größer die Hoffnung der Zocker aufs schnelle Geld. Das gilt auch für den Staat. Italien soll so massiv auf Einnahmen aus dem Glücksspiel gesetzt haben, dass jetzt die Spielsucht grassiert. Besorgte Bürgermeister steigen dort nun gegen Spielhallen auf die Barrikaden.
Soweit will es der Städtebund nicht kommen lassen. Die Resolution wird beim Städtetag im Juni als Empfehlung an die nächste Regierung ins Spiel gebracht.