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Generalverdacht, Ungleichbehandlung und Diskriminierung

Von Farid Hafez

Gastkommentare
Farid Hafez ist Politikwissenschafter und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung Politikwissenschaft der Universität Salzburg.

Ein außenpolitischer Blick auf den Entwurf für ein neues österreichisches Islamgesetz.


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Sebastian Kurz gilt als Zukunftshoffnung der ÖVP. Er hat es geschafft, das Thema Integration im öffentlichen Diskurs positiver zu besetzen. Dass sich hinter einer liberalen Rhetorik aber in vielerlei Hinsicht eine konservative Politik versteckt, zeigt sich am Entwurf für ein neues Islamgesetz, das von den namhaftesten österreichischen Rechtswissenschaftlern als juristisch diskriminierend eingestuft wird.

Eigentlich fällt der Entwurf in den Aufgabenbereich des Kultusamtes im Kanzleramt. Dass der Entwurf aber neben dem Kultus- auch vom Integrationsminister präsentiert wurde, liegt daran, dass die Novellierung bereits Jahre zuvor vom damaligen Integrationsstaatssekretär im Innenministerium auf Schiene gebracht wurde - gemeinsam mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), in der der Protest gegen das Islamgesetz nun zu einer Ablehnung von diesem geführt hat.

Für die IGGiÖ scheint die Ära, als das Außenministerium unter Ferrero-Waldner und Plassnik mit der gesetzlichen Anerkennung des Islams im Ausland als Vehikel der Kulturdiplomatie geprahlt hatte, vorbeizugehen. Zumindest, wenn die Regierung den derzeitigen Kurs beibehält. Schließlich galt Österreich hinsichtlich seiner gesetzlichen Anerkennung und politischen Inklusion des Islams in muslimischen Ländern als eines der vorbildlichsten Länder Westeuropas. Dieses kulturelle Kapital zählte auch bei Geschäften. Man erinnere sich bloß an die drei Europäischen Imamekonferenzen, in denen Konzepte eines Islams europäischer Prägung von zahlreichen muslimischen Akteuren aus ganz Europa erarbeitet wurden. Diese Initiative ging von Österreich aus und wurde vom Außenministerium unterstützt. Auch wenn sie innerhalb der österreichischen Grenzen wenig Aufmerksamkeit erhielt, so wurde sie selbst über die europäischen Grenzen hinweg mit Aufmerksamkeit verfolgt.

Mit dem Neuentwurf wird hingegen ein Paradigmenwechsel vorgenommen. Der Islam österreichischer Prägung, wie er von Innenministerin und Integrationsminister genannt wird, steht konzeptionell im Widerspruch zum Islam europäischer Prägung der Ära Schakfeh. Prozessual, weil der Neuentwurf auf eine Arbeit hinter verschlossenen Türen zurückgeht, der im Wesentlichen von einem Ministerialbeamten und einem Funktionär der IGGiÖ unter Ausschluss der muslimischen Zivilgesellschaft ausgearbeitet wurde. Zum anderen, weil der Entwurf kein Ausdruck der Entfaltung islamischen Denkens in Europa darstellt, sondern eine Einzwängung in ein österreichisches staatlich angeordnetes Korsett bedeutet.

Die neuen Generationen österreichischer Muslime werden sich später einmal an einen Entwurf erinnern, in dem sich Generalverdacht, Ungleichbehandlung und Diskriminierung manifestieren.

Nicht nur, dass kurzfristig zu befürchten ist, dass das Verbot der Auslandsfinanzierung islamisch-religiöser Dienstleistungen mit einer Retourkutsche beantwortet werden könnte, indem etwa Bildungseinrichtungen und Entwicklungshilfe von christlichen Institutionen in muslimischen Ländern gestoppt werden könnten. Es ist insbesondere das kulturelle Kapital Österreichs, das Etikett der liberalen beziehungsweise toleranten Islampolitik, das der Außenpolitik verlorengehen wird.