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Generationenkonflikt - eine Mär?

Von Nina Flori

Politik
Unterschiedliche Ansichten zum Generationenkonflikt: Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal (l.) und Kabinettschef Joachim Preiss beim Sommerdiskurs in Strobl. Foto: flor

Demographische Schieflage als Problem. | Ruf nach höherem Pensionsantrittsalter. | Erwerbsquote muss steigen. | Strobl. Ein im Jahr 2010 neugeborenes Mädchen darf sich aktuellen Prognosen zufolge bereits über eine Lebenserwartung von 100 Jahren freuen. Dass die Österreicher immer älter werden, ist bekannt. Gleichzeitig sank die Geburtenrate in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich. Während in der sogenannten Babyboomer-Generation Ende der 50er Jahre rund 130.000 Kinder im Jahr geboren wurden, kommen heute nur noch rund 78.000 Kinder pro Jahr zur Welt.


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Um über die Auswirkungen der demographischen Veränderungen auf das österreichische Sozialsystem zu diskutieren, trafen sich am Donnerstag im Rahmen des dritten Sommerdiskurses in Strobl am Wolfgangsee (Salzburg) Experten aus dem sozialrechtlichen Bereich.

"Die Herausforderung ist es, die demographische Inhomogenität in der Bevölkerung auszugleichen", sagte Wolfgang Mazal, Sozialrechts-Professor an der Universität Wien. "Nach dem Bismarkschen System ist es das Grundmuster unseres Sozialsystems, dass die Aktiv-Generation das erwirtschaftet, was all jene, die nicht mehr im Aktiv-System sind, brauchen."

Einen Leistungsanspruch erhalte nach dem Umlage-System jeder, der einmal in den Topf eingezahlt habe. "Diejenigen, die einen Anspruch haben, dürfen natürlich nicht enttäuscht werden. Das fordert der Vertrauensschutz", betonte Mazal. Gleichzeitig könnten die heute Jungen, die stark in der Minderzahl seien, aber nicht einmal mehr die kollektivvertraglich vorgesehenen Erhöhungen der Pensionen finanzieren.

Mazal: Dürfen Junge nicht im Stich lassen

"Die Tatsache, dass die Aktiv-Generation immer schmäler wird, führt zu einem Nachhaltigkeitsproblem in unserem Sozialsystem, das die Jungen mit einem großen Systemumbruch bezahlen müssen", konstatierte der Sozialrechtler. "Wir dürfen sie da nicht im Stich lassen."

Es gelte daher, das System so umzubauen, dass es den Veränderungen der Gesellschaft nachhaltig gerecht werde. "Als das Pensionsantrittsalter festgesetzt wurde, sind nur zehn Prozent der Menschen älter als 65 Jahre alt geworden", sagte Mazal. Eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters ist seiner Ansicht nach daher durchaus legitim. Weiters forderte er, das Problem der Altersarbeitslosigkeit nicht länger unter dem Deckmantel der Pensionierungen zu kaschieren. "Alle Tätigkeiten, die wir heute bedenkenlos von Zivildienern verlangen, könnten auch Menschen um die 60 machen", so der Experte.

Preiss gegen"Demographiekeule"

Joachim Preiss, Kabinettschef im Sozialministerium, zeigte sich nicht ganz einverstanden mit den Expertendiskussionen bezüglich des Sozialsystems. Er kritisierte, dass diese "völlig aus dem Ruder laufen".

Ständig würden die Jungen mit der "Demographie-Keule" erschlagen, wonach sie "die wahnsinnig drückende Last der Alten schultern müssten". Auch werde andauernd von der "Massenverarmung der Pensionisten" gesprochen. Beides stimme aber nicht. Er verwies auf die in den vergangenen Jahren gestiegene Produktivität und die Einsparungen aufgrund der seit den 90er Jahren stark zurück gegangenen Pragmatisierungen im Beamtenpensionssystem. Zudem sei die Deckungsrate im Pensionssystem insgesamt angestiegen: "Während sie im Jahr 1970 nur 68 Prozent betrug, konnte sie bis zum Jahr 2010 auf 84 Prozent gesteigert werden. Der Staat muss heute also wesentlich weniger zuschießen", unterstrich Preiss.

Abhilfe auch durch mehr Kinderbetreuung

Die Situation im Sozialsystem sei im Gesamten jedenfalls stabil. Mit der Demographie müsse man sich natürlich trotzdem beschäftigen. Um das Sozialsystem auch in Zukunft finanzieren zu können, sprach er sich für eine Steigerung der Erwerbsquote aus. Vor allem Frauen sollten dazu animiert werden, verstärkt einer Beschäftigung nachzugehen - Voraussetzung dafür sei freilich die Schaffung eines "endlich ausreichenden" Kinderbetreuungsangebotes.

"Und ein Ende sollte auch dem sozialverträglichen Beschäftigungsabbau über das Pensionssystem gesetzt werden", forderte Preiss. Das faktische Pensionsantrittsalter könne einfach nicht bei 58 Jahren liegen.