Alfred Gusenbauer (40) wurde Donnerstagnachmittag vom SPÖ-Präsidium einstimmig zum neuen Bundesparteivorsitzenden nominiert. Er folgt in dieser Funktion dem bisherigen Bundeskanzler Viktor Klima. | Klima wird Ehrenvorsitzender. Gusenbauer ist der jüngste Vorsitzende in der Geschichte der SPÖ und war erst vor 18 Tagen zum Bundesgeschäftsführer der Partei ernannt worden.
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Die offizielle Wahl soll am 28. und 29. April beim Bundesparteitag erfolgen. Gusenbauer bezeichnete seine Nominierung als "große Ehre und große Herausforderung". Er will die SPÖ "an Haupt und
Gliedern erneuern und eine attraktive Partei für die junge Generation in diesem Land" formen. Hauptziel werde es auch sein, die Haider-und ÖVP-Wähler zurückzuholen, denn nur so sei eine Mehrheit
gegen diese Regierung, "die Österreich nach außen isoliert und nach innen spaltet", möglich. Gusenbauer glaubt nicht, dass das eine allzu schwierige Aufgabe sein wird, denn das "Programm dieser
Regierung ist ein Anschlag gegen ihre eigenen Wähler."
Der neue Vorsitzende machte auch gleich deutlich, dass die Oppositionspolitik der stärksten Partei kantig ausfallen wird: "Die Belastungswelle dieser Regierung wird viele Geschädigte hinterlassen". ·
"Je früher diese Bundesregierung die Segel streicht, desto besser ist es für Österreich", unterstrich der neue SP-Chef seinen Willen, wieder Regierungsverantwortung übernehmen zu wollen.
Was sein Team betreffe, würden sowohl Karl Schlögl als auch Caspar Einem an "führender Stelle" tätig sein. Gusenbauer selbst wird Klubobmann, Peter Kostelka wird voraussichtlich geschäftsführender
Klubobmann. Weitere Personalentscheidungen will der neue Vorsitzende in den nächsten Tagen treffen.
Klima erläuterte, dass er bei seiner Entscheidung von einem klaren Anforderungsprofil · politische Erfahrung, Erfahrungen auf dem Gebiet Finanzen und Wirtschaft, Vertretung der
Arbeitnehmerinteressen, internationale Kontakte, integrative Kraft · ausgegangen sei. Gusenbauer verkörpere Werte wie Weltoffenheit, Toleranz, ein Miteinander und stelle so eine Alternative zu einer
Regierung dar, die "Österreich jeden Tag mehr Schaden zufügt", betonte der Alt-Bundeskanzler. Er selbst werde der SPÖ mit seinen internationalen Kontakten zur Seite stehen.
Er, Klima, habe seine Entscheidung in den vergangenen Tagen getroffen · getragen von einem Verantwortungsgefühl ·, um einen "Neuanfang für die SPÖ, aber vielleicht auch für das ganze Land zu ermögli
chen". Neuerlich machte der frühere Kanzler deutlich, dass eine Zusammenarbeit mit der ÖVP nicht an der SPÖ gescheitert sei. Er sei vom bisherigen Koalitionspartner getäutsch und auch
enttäuscht worden. Was Schlögl betrifft, habe dieser selbst erkannt, dass es gegen ihn in der Partei Widerstand gebe.
Laut Schlögl wird Gusenbauer "auch unser Kanzlerkandidat bei der nächsten Wahl sein". Er selbst glaubt, dass er bei einem Antreten eine Mehrheit erzielt hätte, habe aber im Hinblick "auf die
Geschlossenheit der Partei" darauf verzichtet.
"Sehr glücklich" zeigte sich Wiens Bürgermeister Michael Häupl über die Entscheidung des SPÖ-Präsidiums. Wie er betonte, sei es wichtig gewesen, die Personalentscheidung vom Tisch zu bekommen, damit
man sich wieder inhaltlichen Fragen zuwenden könne.
SPÖ-Frauenchefin Barbara Prammer meinte zur Frage, wer Gusenbauer als Bundesgeschäftsführer folgen solle, hier müsse dieser zunächst selbst seine Vorstellungen formulieren. Sie sei jedenfalls dafür,
dass eine Frau an der Spitze der Partei mitwirke. Sollte die Wahl bei der Suche nach einer neuen Bundesgeschäftsführerin auf Bundesfrauensekretärin Andrea Kuntzl fallen, "wäre das schön".
Durch seinen zweiten Karrieresprung binnen kürzester Zeit hat Gusenbauer nun alle Möglichkeiten, das zu realisieren, was er sich vorgenommen hat: Die SPÖ zu modernisieren, sie für breite Schichten zu
öffnen und die Jugend sowie höhere Bildungsschichten wieder ins rote Lager zu holen.