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"Genervt" von Athen

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik
Für Griechenland undFinanzministerYanis Varoufakis wirddie Zeit knapp. reu/Kalnins

Im Schuldenstreit mit Griechenland verlieren die Finanzminister der Eurozone die Geduld.


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Riga. Als "Palast des Lichts" erhebt sie sich gegenüber der Altstadt. Die neue lettische Nationalbibliothek am Ufer des Flusses Daugava, der sich breit und träge seinen Weg durch Riga bahnt, wurde erst im Vorjahr eröffnet. Wie eine Pyramide spitzt sich das Gebäude nach oben hin zu, bis in den rundum verglasten zwölften Stock, der die Sicht auf alle Seiten der 700.000-Einwohner-Stadt freigibt. In den unteren Stockwerken wurden mehr als vier Millionen Druckwerke verstaut, Landkarten und Manuskripte untergebracht, Arbeitsräume und Leseplätze für Kinder geschaffen.

Doch die sonst täglich Besuchern zugängliche Bibliothek blieb nun zwei Tage lang geschlossen. Der Licht-Palast wurde abgesperrt; auf der Daugava patrouillierten Polizeiboote. In den Konferenzräumen des Gebäudes war nämlich ein Treffen der Finanzminister der Eurozone sowie der gesamten EU angesetzt.

Aber es waren nicht die Absperrungen und Verkehrsbehinderungen, die den Unmut so einiger Letten ausgelöst hatten. Ihr Land hat derzeit den EU-Vorsitz inne und schon etliche Minister-Zusammenkünfte organisiert. Vielmehr hat die Errichtung der Nationalbibliothek selbst nicht nur für Lob, sondern auch für Murren gesorgt. Mit Mühe hat sich Lettland erst vor kurzem aus einer tiefen Rezession gehievt; mit einem rigorosen Sparprogramm sowie Einschnitten bei Gehältern und Pensionen brachte es die Wirtschaft wieder zum Wachsen. Seine Schulden bei internationalen Kreditgebern hat es mittlerweile so gut wie zurückgezahlt.

Es ist daher wohl kaum Zufall, dass es in Lettland, das im Vorjahr der Währungsgemeinschaft beigetreten ist, nur wenig Verständnis für das Verhalten eines anderen Partners aus der Eurozone gibt. Die Kritik an Griechenland, das mit seinen Finanznöten einmal mehr die Debatte der Minister dominiert hat, nimmt denn auch an Schärfe zu. Der lettische Finanzminister Janis Reirs rief Athen dazu auf, die vereinbarten Bedingungen zu erfüllen und an "strukturellen Reformen und Maßnahmen zur Verringerung des Budgetdefizits festzuhalten". Sein litauischer Amtskollege Rimantas Sadzius, ebenfalls aus der Erfahrung seines Landes sprechend, wies die Griechen darauf hin, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht zu umschiffen, sondern zu bewältigen seien.

Doch auch die Sitzung in Riga brachte keine Einigung in dem Schuldenstreit - obwohl der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis "deutliche Fortschritte" ortete. Er hatte eine teilweise Auszahlung von Krediten vorgeschlagen, wenn seine Regierung einzelne Reformen umsetzt. Bei den Europartnern stieß er damit jedoch auf wenig Gegenliebe. Immerhin zeigt sich aber die Europäische Zentralbank (EZB) bereit, den griechischen Banken weiter Unterstützung zu gewähren. Als Voraussetzung für anhaltende Nothilfen nannte EZB-Präsident Mario Draghi, dass die Geldhäuser solvent seien und Sicherheiten hinterlegen könnten.

Warten auf Reformliste

Dabei hatte Athen auf eine Verständigung gehofft, die die Auszahlung einer weiteren Kredittranche in Höhe von mehr als sieben Milliarden Euro ermöglicht hätte. Wann dies erreicht werden kann, bleibt unklar - ebenso wie der Termin, an dem das Land tatsächlich bankrott sein würde.

Die Zeit wird jedenfalls knapp. Ende Juni läuft - das schon einmal verlängerte - Hilfsprogramm aus; und um ein neues zu beschließen, müssten die internationalen Geldgeber erst einmal das alte bewerten können. Seit Wochen drängen die anderen Eurostaaten Griechenland dazu, eine verpflichtende Reformliste vorzulegen. Bis jetzt hätten sie aber nur Überschriften bekommen, wie der österreichische Finanzminister Hans-Jörg Schelling klarstellte. Nicht nur er zeigte sich darüber "einigermaßen genervt".

Mit seinen Amtskollegen höre er Referate über Vorhaben. "Wir wollen aber Zahlen hören, mit denen die griechische Regierung dann für einen Beschluss ins Parlament geht", erläuterte Schelling. Die einhellige Botschaft an Varoufakis sei daher gewesen: "So nicht mehr." Selbst der sonst vorsichtig formulierende Vorsitzende der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, sprach von einer "sehr kritischen" Debatte. Persönliche Angriffe auf Varoufakis wurden offiziell aber nicht bestätigt.