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Die Genfer Nahost-Initiative, nach Auffassung ihrer Urheber ein Vorstoß der Zivilgesellschaft, zwingt zu Stellungnahmen. Von offizieller internationaler Seite wird sie nur zaghaft unterstützt, vor allem weil Israels Regierung sie ablehnt. Die Initiatoren unter Leitung des früheren israelischen Justizministers Yossi Beilin und des früheren palästinensischen Informationsministers Yasser Abed Rabbo wollen beweisen, dass Verhandlungen trotz drei Jahren Intifada möglich sind. Und sie wollen Druck auf den israelischen Premier Ariel Sharon machen, endlich ernsthafte Friedensverhandlungen aufzunehmen.
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Sharon sprach der Initiative jegliche Chance ab, als seriöse Grundlage für Verhandlungen zu dienen. Israel versucht unter anderem mit Unterstützung des Jüdischen Weltkongresses (WJC), die Initiative zu diskreditieren. Die israelischen Teilnehmer der Initiative wurden "politische Randfiguren" genannt. Der Schweiz, die die Initiative logistisch und finanziell unterstützt, wurde vorgeworfen, sich in die inneren Angelegenheiten Israels einzumischen.
Konkrete Lösungsvorschläge für Streitfragen
Für die Schriftstellerin Tsvia Walden, israelische Mitinitiatorin und Tochter von Friedensnobelpreisträger Shimon Peres, haben Kritiker der Initiative Angst, da der Text konkrete Lösungsvorschläge für strittige Punkte wie den Status von Jerusalem, die Siedlungen in den besetzten Gebieten und die Rückkehr der Flüchtlinge umfasst. Auch Experten hoben als positiv hervor, dass die Initiative im Gegensatz zu der von den USA, der EU, Russland und der UNO vorgelegten Roadmap keine Verbesserung des politischen Klimas als Voraussetzung für die Aufnahme von konkreten Friedensverhandlungen verlange.
Kofi Annan begrüßt die Initiative
Begrüßt wurde diese "private" Initiative von UNO-Generalsekretär Kofi Annan. Sie stimme mit den Vorschlägen der Vereinten Nationen überein und respektiere die Roadmap, erklärte er. Prominente Unterstützung erhielt der Vorstoß auch von US-Außenminister Colin Powell. In einem Brief an die Initiatoren schrieb Powell, er schätze die Initiative, weil sie eine Stimmung der Hoffnung verbreite. Die USA fühlten sich jedes Mal ermutigt, wenn es einen Dialog zwischen Israelis und Palästinenser gebe. Powells Brief ist nach Meinung von Rachid Khalidi von der Columbia University in New York ein Zeichen dafür, dass es innerhalb der US-Regierung den Beginn einer Reflexion gibt. Bisher unterstütze US-Präsident George W. Bush die "Apartheidpolitik" des israelischen Ministerpräsidenten. Eine Änderung der US-Politik sei vielleicht möglich, falls Bush wegen seiner Nahost-Politik befürchten müsse, nicht mehr gewählt zu werden. Nach Einschätzung von Experten wird es im Nahen Osten keinen Frieden geben, solange Sharon an der Macht ist.
Der palästinensische Präsident Yasser Arafat unterstützt die Genfer Initiative, seine Regierung hat das Dokument aber nicht offiziell genehmigt. Das sei vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt möglich, wenn beide Seiten an den Verhandlungstisch zurückkehrten, meinte Ghaith al Omari, Sprecher der palästinensischen Initiatoren.
Positive Stellungnahmen von EU-Seite
EU Die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey hat die Initiative auf ihren Auslandreisen vorgestellt. Der britische Premier Tony Blair sowie der russische Außenminister Igor Iwanow unterstützen sie. Positiv äußerten sich auch EU-Außenkommissär Chris Patten und der EU-Außenpolitik-Beauftragte Javier Solana.
Der frühere US-Präsident Friedensnobelpreisträger Jimmy Carter, Architekt des israelisch-ägyptischen Camp-David-Friedensabkommens, sieht in der Initiative eine "Weiterführung aller früheren Abkommen". Auch Ex-US-Präsident Bill Clinton begrüßte die Initiative. Carter wird am Montag zusammen mit Calmy-Rey an der Lancierung des Abkommens in Genf teilnehmen.