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Genfood auf dem Speisezettel?

Von Alexander Mathé

Wissen

Gentechnik in Lebensmitteln muss gekennzeichnet werden. Die entsprechende EU-Verordnung tritt am Sonntag in Kraft. Dennoch könnten gentechnisch veränderte Produkte schon bald in großem Stil Einzug in Österreich halten. Derzeit ist noch das Gentechnik-Moratorium in Kraft, das den Anbau gentechnisch veränderter Organismen (GVO) verhindert. Die EU hat jedoch bereits angekündigt, Österreich zu klagen, falls die Pflanzung von GVO grundsätzlich verboten wird.


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Der Kampf gegen die grüne Gentechnik wird hierzulande von Kern auf geführt. Mit einer Nulltoleranzgrenze für gentechnische Verunreinigungen im Saatgut hat Österreich weltweit das strengste Gesetz auf dem Gebiet. Diese Regelung droht schon bald von einer entgegenstehenden EU-Richtlinie überrollt zu werden. Nach Informationen der europäischen Initiative "Save our Seeds" hat die EU-Kommission vor, über eine Hintertüre die schon lange geplanten Schwellenwerte für Samen einzuführen: "Zufällige und technisch unvermeidbare" Verunreinigungen von herkömmlichem Saatgut mit genmanipulierten Sorten sollen künftig, je nach Pflanzenart, zwischen 0,3 und 0,7 Prozent toleriert werden, ohne dass dies gekennzeichnet werden müsste. "Aus gut unterrichteten Kreisen in Brüssel wissen wir, dass die zuständigen Beamten der Umwelt-, Agrar- und Verbraucherdirektionen der EU-Kommission sich geeinigt haben", warnt Benedikt Härlin, der Sprecher der Organisation. Nach interner Abstimmung könnte der Entwurf bereits dieser Tage veröffentlicht werden.

Sensible Landwirtschaft

Österreichs Bundesländer haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um der Gentechnik-Flut zu entkommen. Oberösterreich etwa stellte den Antrag zur gentechnikfreien Zone erklärt zu werden. Die EU-Kommission lehnte das Ansuchen jedoch ab. Die Vorgehensweise in Sachen Gentechnik war für die Oberösterreicher nur schwer nachzuvollziehen: Die EU erlaubt den Anbau von GVO, überlässt es aber den Mitgliedsstaaten, sich um eine gentechnikfreie Landwirtschaft zu sorgen. Wenn dann schließlich eine Region vor dem Anbau genmanipulierter Pflanzen geschützt werden soll, wird der Antrag abgewiesen. Mittlerweile liegt in diesem Fall die Entscheidung beim Europäischen Gerichtshof.

Die Idee einer Koexistenz von GVO und nicht manipulierten Pflanzen, wie man sich das bei der EU vorstellt, wäre hierzulande nicht ratsam. Gerade im kleinen und dicht bepflanzten Österreich könnten die Folgen eines Anbaus von Gen-Gewächsen fatal sein. Wind und Bienen halten sich nicht an von Menschen gezogene Grenzen. Durch Pollenflug werden die umliegenden Bio-Gebiete eines Gen-Felds mitverseucht. Das landwirtschaftliche Institut der britischen Regierung DEFRA (Department for Environment, Food and Rural Affairs) hat beispielsweise bei Raps ein Einzugsgebiet von 26 km gemessen. Wenn sich die natürlichen mit den genmanipulierten Gewächsen vermischen, finden sich auch im neu entstandenen Organismus veränderte Gensequenzen. So könnten Pflanzenarten einer Region in kürzester Zeit ausgekreuzt werden.

Weiters belegt eine Studie der DEFRA, dass der Einsatz herbizidresistenter GVO zum Rückgang der Kräutervielfalt auf einem Acker führt. Dabei werden Pflanzen durch Genmanipulation gegen ein Herbizid immunisiert, das dann eingesetzt wird, um Unkraut zu beseitigen. Diese Kräuter stellen aber die Nahrungsgrundlage für Insekten, Schmetterlinge und Vögel dar, die dann ebenfalls dezimiert werden. Auf diese Weise wird ein ganzes ökologisches System aus den Angeln gehoben.

Wie schädlich sind GVO?

Letztlich ist Genfood selbst, der eigentliche Zweck der GVO, umstritten. Experten warnen, dass sich die Menschheit mangels eingehender Studien hier auf einen Blindflug begebe. "Die Zulassungsverfahren basieren auf völlig unzureichendem Datenmaterial. Es wurden bisher keine klinischen Studien zur Risikoabschätzung von Genfood veröffentlicht. Mangelhafte Untersuchungen und fehlende Ergebnisse über die Schädlichkeit von Genfood sind kein Beleg für deren Unbedenklichkeit", mahnt Arpad Pusztai. Der überzeugte Gentechnik-Gegner hatte früher selbst Genfood für das Rowett-Institut in Schottland entwickelt. Darunter Erdäpfel, die sich selbst vor ihren Schädlingen schützen. Als er die Wundernahrung Laborratten zu fressen gab, starben sie an Nieren- und Leberschäden. Das Institut weigerte sich, die Ergebnisse zu veröffentlichen. Als Pusztai an die Öffentlichkeit ging, wurde ihm fristlos gekündigt und der Zugang zu seinem Labor verwehrt.

Organisationen wie das Rowett-Institut sehen in der Grünen Gentechnik die Möglichkeit, Lebensmittel auf die Bedürfnisse der Menschen zuzuschneiden: Der Vitamingehalt und der Ertrag werden gesteigert und Allergie auslösende Proteine deaktiviert. Beträchtliches Interesse dürfte bei allem Idealismus allerdings auch in der Rentabilität liegen. Neben den GVO werden nämlich auch die Patente am Saatgut und am dazugehörigen Herbizid verkauft.

USA klagen Europa

Europa ist auf dem Gebiet der Anpflanzung genmanipulierter Pflanzen noch jungfräulich. Nur in Spanien werden auf 32.000 ha Land GVO angebaut. Das ist ein viel versprechender Markt für die USA als Haupterzeuger von Genfood. Daher haben sie gemeinsam mit Kanada und Argentinien die EU vor der Welthandelsorganisation geklagt. Der durch ein Moratorium verordnete Anbaustopp der Europäer soll aufgehoben werden. Diese Klage wurde von der EU an die einzelnen Länder, darunter Österreich, gewissermaßen weitergegeben. Um dem Verbraucher für den Fall des Falles dennoch die Chance zu geben, gentechnikfreie Lebensmittel zu kaufen, tritt am Sonntag eine Kennzeichnungspflicht in Kraft. Lebensmittel, die GVO enthalten, müssen gekennzeichnet sein; sei es nun auf der Verpackung oder auf einem Taferl am Marktstand.

Denn soviel dürfte klar sein: Der Großteil der europäischen Konsumenten verzichtet liebend gern auf gentechnisch veränderte Lebensmittel. Das hat in Deutschland ein Schokoriegel bewiesen. Der "Butterfinger" des Nestlé-Konzerns war ein Verkaufsschlager in den USA und beinhaltete Cornflakes aus genmanipuliertem US-Mais. Das Produkt wurde gezielt für deutsche Kinder und Jugendliche ausgewählt, von denen sich die Firma den geringsten Widerstand gegen GVO erwartete. Proteste und Demonstrationen waren die Folge. Das Produkt wurde von den Konsumenten boykottiert und wegen gravierender Absatzprobleme aus dem Sortiment genommen. Seit damals garantiert Nestlé in Deutschland Produkte ohne genmanipulierte Zutaten.

Einigen Firmen dürften diese Vorzeichen egal sein. Wie die Umweltorganisation Greenpeace verlautbarte, wollen rund 50 von 250 angeschriebenen Firmen offenbar nicht auf Gentechnik in ihren Produkten verzichten. Pressesprecher Axel Grunt sagte, dass man den mit GVO produzierenden Unternehmen auf der Spur bleiben werde. Wer sicher gehen wolle, gentechnikfreie Produkte zu kaufen, dem rät Greenpeace zu Lebensmitteln aus biologischer Landwirtschaft und Lebensmitteln, die das Gütesiegel der "ARGE gentechnik-frei" tragen. Lebensmittel aus konventioneller Landwirtschaft, deren Zutaten aus Österreich stammen, sind derzeit ebenfalls noch frei von GVO, da in Österreich noch das Gentechnik-Moratorium in Kraft ist.