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Genfood: Langzeit-Tests fehlen

Von Klaus Faißner

Wissen

Wie sicher sind - wie es so oft heißt - "die bestgetesteten Lebensmittel auf der Welt"? In einer 2004 veröffentlichten Studie über "humantoxikologische Risiken von gentechnisch veränderten Soja- und Mais-Pflanzen" kommt der Risikoforscher Werner Müller zum Schluss, dass die Datenlage zur Abschätzung der Lebensmittelsicherheit von GVO unzureichend ist.


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Grund: "Die EU-Behörden fordern im Rahmen des Zulassungsverfahrens keine chronischen toxikologischen Studien ein und die Antragsteller liefern solche Studien nicht auf freiwilliger Basis", heißt es hier. Mit anderen Worten: Langzeit-Tests gibt es so gut wie keine.

Dennoch gibt es eine Reihe besorgniserregender Indizien, die eine sorgfältige Überprüfung der Auswirkungen gentechnisch veränderter Nahrung dringend erscheinen lassen: So spricht Müller in seiner Studie davon, dass Antragsteller von Pflanzen mit einem eingebauten Toxin des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis bisher ein chronisches Risiko aufgrund der vermuteten kurzen Verweildauer des Bt-Toxins im Magen-Darm-Trakt ausgeschlossen hätten. "In zwei in-vivo-Studien (Anm.: am lebenden Organismus durchgeführte Studien) mit Schweinen und Kühen ließ sich das Toxin im gesamten Darmbereich und im Kot der Tiere nachweisen. Zudem ist das Bt-Toxin bei Mäusen in der Lage, an die Epithelzellen der Darmwand zu binden, und eine Immunantwort auszulösen", stellt Müller fest.

In die gleiche Richtung gehen die - von Müller nicht erwähnten - Vorfälle, die sich in Hessen am Bauernhof von Gottfried Glöckner abspielten: Er war einer der ersten "Gentechnikbauern" Deutschlands und verfütterte den geernteten Bt176-Genmais an seine Kühe. Nach zweieinhalb Jahren Fütterung traten die erste Krankheitsfälle auf, einige Monate später verendeten die ersten Tiere. Weitere dreieinhalb Jahre später steht sein ursprünglich mit 70 Kühen gefüllter Stall leer. Nach dem Kampf um seine Rinder und vielen Laboranalysen ist er sicher, dass der Genmais und somit das in der Pflanze enthaltene Gift für die Geschehnisse verantwortlich war.

Die Vermutung, dass aber nicht nur in die Pflanze zur Schädlingsbekämpfung eingebaute Toxine Risiken für Tier und Mensch in sich bergen könnten, sondern die gentechnische Veränderung an sich, wurde bereits 1998 durch den britischen Wissenschaftler Arpard Pusztai erhärtet. Dieser sollte die gesundheitliche Wirkung von Lektin, einer u.a. in Schneeglöckchen vorkommenden Substanz zur Abwehr von Schädlingen oder Feinden der Pflanze, in gentechnisch veränderten Kartoffeln überprüfen. Zu diesem Zwecke wurden die Kartoffeln in drei verschiedenen Varianten an Ratten verfüttert: Zum einen als genmanipulierte Kartoffeln mit dem darin eingebauten Schneeglöckchen-Lektin. Zum anderen als herkömmliche Kartoffeln, denen ein Schneeglöckchen-Lektin derselben Menge wie bei den GVO beigemischt war. Und schließlich als "normale" Kartoffeln ohne Lektin. Das Ergebnis versetzte Pusztai in Erstaunen: Nur diejenigen Ratten zeigten signifikante krankhafte Veränderungen auf, die mit den GVO-Kartoffeln gefüttert wurden. Die mit den beiden anderen Kartoffelvarianten ernährten Ratten zeigten keine vergleichbaren Reaktionen. Pusztai schlussfolgerte, dass in diesem Fall die gentechnische Veränderung an sich zu Problemen führte. Besorgt wandte er sich an die Öffentlichkeit und sagte vor laufender Kamera, dass er keine gentechnisch veränderten Kartoffeln essen würde. Zwei Tage später wurde er vom Rowett-Institut in Aberdeen nach 35 Jahren Dienst entlassen - und bis heute nicht rehabilitiert.