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Geniestreich...

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

In Deutschland reden alle vom Selbstdarsteller Thilo Sarrazin. Erstaunlich. Denn die eigentliche Sensation kommt vom dortigen Arbeitsmarkt. Die Zahl der Arbeitslosen geht deutlich zurück. Einer der Gründe dafür - so Wirtschaftsexperten - lag beim Instrument der Kurzarbeit. Diese ermöglichte es Betrieben, ihre guten Mitarbeiter trotz Krise und fehlender Aufträge zu halten.


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Nun springt die Exportwirtschaft wieder an, die Industrie kann in ihren Betriebsstätten gleich aus dem Vollen schöpfen. "Geniestreich" nennen deutsche Experten diese Kurzarbeit. Nun wird sich weisen, wie tragfähig und dauerhaft dieser Aufschwung ist, Skepsis ist durchaus angebracht.

Doch bleiben wir bei der Momentaufnahme. In Österreich gab es die Kurzarbeit auch, sogar noch eine Spur detaillierter ausgeformt als in Deutschland. Nun wird viel an der heimischen Regierung herumgemäkelt - vielfach zu Recht. Doch mit der Kurzarbeit haben auch Werner Faymann und Josef Pröll bewiesen, dass die Regierung handlungsfähig ist - wenn sie will. Die Arbeitslosenrate in Österreich ist derzeit die niedrigste in der EU.

Wer allerdings hierzulande von einem Geniestreich spricht, kommt nur in den Geruch, den Mächtigen gefallen zu wollen. Gutes wird in Österreich gerne kommentarlos hingenommen, um sich stärker über die Schlechtigkeiten aufregen zu können.

Die Regierung hat also beim Arbeitsmarkt bisher gute Arbeit geleistet. Nun sind die Sozialpartner am Zug, im Rahmen der Herbst-Lohnrunde. Dabei sollten diesmal weniger die Prozentsätze im Vordergrund stehen, die Inflation ist mit 1,6 Prozent ohnehin sehr niedrig. Dafür sollten die Sozialpartner darüber reden, wie auch in Zeiten von geringem Wirtschaftswachstum möglichst viele Menschen einer Arbeit nachgehen können. Ob dies flexiblere Arbeitszeitmodelle bis hin zu umfangreicheren Gleitpensionsregelungen oder Arbeitszeitverkürzungen sind, sei der Phantasie der Sozialpartner überlassen. Die guten Arbeitsmarktdaten sollten jedenfalls auch eine längere Durststrecke überdauern können. Sich noch einmal auf Kurzarbeit zu verlassen, wäre fatal - denn dafür wurden Steuermittel aufgewendet, die angesichts des Budgetdefizits nicht mehr in dieser Höhe zur Verfügung stehen werden.