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Doppelführung soll Partei nach außen einen und nach innen befrieden. | Kompromiss statt Sonderparteitag. | Die SPÖ hat mit der Entscheidung, die Funktion von Bundeskanzler und Parteivorsitz zu trennen, zumindest gezeigt, dass sie sich bewegt. Ob dieser erste Befreiungsschlag ausreicht, um sowohl Länder als auch die Parteibasis zu befrieden und auch wieder Wechselwähler gewinnen zu können, bleibt abzuwarten. Nach innen dürfte der erste Schritt Wirkung zeigen. Ob damit auch die außerparteiliche Kritik eingefangen werden kann, wird sich aber erst zeigen.
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Politikwissenschafter Peter Filzmayer ist mit Bundeskanzler Alfred Gusenbauer einer Meinung, dass diese Trennung in der Theorie Sinn macht, in der Praxis könnte diese neue Konstellation auch Probleme bringen. Nämlich dann, wenn der neue Parteichef Werner Faymann mit dem Kanzler öffentlich nicht einer Meinung ist oder sich beide zu Lasten des anderen zu profilieren versuchen.
Wenn das SPÖ-Präsidium diese Doppelführung als langfristige Strategie angelegt hat und alle tatsächlich hinter dieser Entscheidung stehen, könnte Faymann Kraft seiner Konsensfähigkeit innerparteilich die ausscherenden Länder einfangen. Ihm obliegt es aber gleichzeitig, einen kantigen sozialdemokratischen Kurs zu fahren und für die Zukunft zu formulieren. Die politische Umsetzung der neuen sozialdemokratischen Schärfe, wie er es nannte, muss er in der Regierung jetzt noch nicht realisieren. Für Faymann hat die Festlegung auf Gusenbauer als nächster Spitzenkandidat zusätzlich Vorteile. Wenn er nämlich der Meinung ist, diese Wahl sei nicht zu gewinnen, muss er sie nicht schlagen.
Und Gusenbauer kann ab jetzt ohne Rücksicht auf Zurufe von Links versuchen, wieder Wechselwähler für die SPÖ zu gewinnen. Denn mit der neuen sozialdemokratischen Schärfe ist in einem Land, in dem es keine linke Mehrheit gibt, wenig politisches Terrain außerhalb der Stammwählerschaft zu holen.
Seinen Einblick in die Partei hat sich der Stratege Gusenbauer gesichert, indem er seine langjährige Vertraute Doris Bures vom Minoritenplatz (Sitz des Frauenministeriums) wieder in die Löwelstraße transferiert. Sie wird dort die Alleinherrschaft übernehmen und gleichzeitig ein Missing Link zur Wiener Partei sein.
Ein Sonderparteitag schien zu gefährlich
Hätte das Präsidium die Vorgabe von Wiens Bürgermeister Michael Häupl bestätigt, nämlich Gusenbauer bis August eine zu erfüllende Themenliste mit auf den Weg zu geben, wäre das vermutlich sowohl dessen als auch das Ende der Koalition gewesen. Denn als Bundeskanzler kann er vom Koalitionspartner nicht sehr viel mehr verlangen, als das Regierungsprogramm abzuarbeiten.
Einziger Ausweg für Gusenbauer, seine Parteimacht zu behalten, wäre die Flucht nach vorne gewesen: Er hätte einen Sonderparteitag einberufen und abwarten können, ob seine parteiinternen Kritiker sich überhaupt auf einen Gegenkandidaten einigen können, der auch bereit ist, in eine Kampfabstimmung zu gehen. Dazu fehlte dem Kanzler offenbar der Mut.
Die Handlungsfähigkeit der ÖVP wiederum wird durch die Doppelführung Gusenbauer-Faymann eingeschränkt. Denn Neuwahlen kann ÖVP-Chef Wilhelm Molterer jetzt nicht mehr argumentieren, schließlich ändert sich an der Regierungsspitze nichts und ein Austausch der Beamten- und Frauenministerin ist kein hinreichender Absprungsgrund.
Auch Faymann könnte vor ÖVP-Angriffen in nächster Zukunft gefeit sein. Schließlich kann sich die ÖVP nicht gut auf ein Versagen des Regierungskoordinators herausreden, falls der Wagen nicht rund läuft. In diesem Fall müsste sie wohl auch ihren Koordinator Josef Pröll mit in die Pflicht nehmen.
Sollte das SPÖ-Präsidium die Doppelführung aber nur aus kurzfristigem Kalkül heraus oder gar durch Zufall - weil den handelnden Personen die Fäden gerissen sind - beschlossen haben, wäre das für Gusenbauer ein Tod auf Raten. Damit wäre aber auch das Schicksal der SPÖ besiegelt. Es liegt bei jenen, die dieses Szenario herbeigeführt haben, aus der nun geschaffenen Situation Vorteile zu ziehen oder mit der Partei bei der nächsten Wahl unterzugehen.