Österreich hält an Verbot für Genmais 1507 trotz EU-weiter Zulassung fest.
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Wien/Brüssel. Der Name klingt wie eine Prophezeiung, wie das in Buchstaben gegossene Schicksal einer Union: Pioneer 1507. Was übersetzt soviel bedeutet wie Bahnbrecher, Wegbereiter. Die Rede ist von einer Genmaissorte des US-Herstellers Dupont Pioneer, die als Tierfutter und in Biogasanlagen verwendet wird. Denn obwohl Österreich und 18 weitere EU-Länder im Vormonat gegen eine Zulassung des gentechnisch veränderten Saatguts stimmten, kam keine nötige Mehrheit für ein Anbauverbot zustande. Vier Staaten hatten dafür gestimmt, vier weitere, darunter Deutschland, sich der Stimme enthalten. Die Entscheidung liegt daher bei der EU-Kommission - und diese hatte bereits im Vorfeld mehr als einmal deutlich gemacht, dass sie für eine Zulassung ist. Der Weg ist somit frei für Pioneer 1507.
Doch noch bevor die EU-Kommission überhaupt eine Entscheidung gefällt hat, spaltet die Genmais-Debatte bereits die Union. Einzelne Länder wollen die Zulassung umgehen, indem sie für nationale Anbauverbote (opt out) kämpfen - offensichtlich mit Erfolg: Anlässlich des EU-Umweltrates in Brüssel diese Woche zeichnete sich ab, dass eine qualifizierte Mehrheit für eine Selbstbestimmung der Staaten ist.
Minister Rupprechter setzt auf nationale Anbauverbote
Bisher hatten Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Belgien den Vorschlag für nationale Anbauverbote blockiert. Beim EU-Umweltrat habe sich aber abgezeichnet, dass Großbritannien den Vorschlag nun doch unterstützt, ließ Umweltminister Andrä Rupprechter aus Brüssel wissen. Im Ministerium geht man nun davon aus, dass die nationalen Verbote noch vor der EU-Wahl im Mai beschlossen werden.
Hinsichtlich des Genmais-Anbaus in Österreich lässt Rupprechter erst gar keine Panik aufkommen. "Die österreichischen Felder bleiben gentechnikfrei", versichert er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Ich habe mich beim Umweltrat erfolgreich für das Selbstbestimmungsrecht eingesetzt." Dieselbe Linie vertreten Gesundheitsminister Alois Stöger und Außenminister Sebastian Kurz. Bauernbund-Präsident Jakob Auer stellt ebenfalls klar: "Kein Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen."
Kann man die nationalen Anbauverbote nicht durchsetzen, könnte das allerdings kompliziert werden. Derzeit ist der Weg zu einem Verbot beschwerlich. So müssen wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die die bisherige Sicherheitsbewertung in Zweifel ziehen. Anträge werden mehrfach von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) überprüft. Der Anbau des Genmaises Mon 810, derzeit das einzige Gen-Saatgut, das in der EU kommerziell angebaut werden darf, wurde auf diese Weise in Österreich verboten.
Letzte Hoffnung: Behörde für Lebensmittelsicherheit
An die Efsa nähert sich Rupprechter jetzt von einer anderen Seite heran und schürt damit den letzten Funken Hoffnung für die Genmais-Gegner. Im Rahmen des Umweltrates habe er Gesundheitskommissar Tonio Borg aufgefordert, Pioneer 1507 vor einer Entscheidung noch einmal an die Efsa zurückzuverweisen (diese hat den Mais bereits für weitgehend unbedenklich erklärt). Borg habe zugesagt. Die Zulassung könnte somit doch noch wackeln. "Ich denke schon, dass auch die Efsa zur Kenntnis nehmen muss, dass 19 Staaten massive Vorbehalte bei Pioneer 1507 haben", so Rupprechter.
Dem Minister geht es dabei um die Konsequenzen für Umwelt und Landwirtschaft. Dass durch das im Raum stehende Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen zwischen EU und den USA Klagemöglichkeiten von Gentechnikkonzernen durch die Hintertür eingeführt werden, glaubt er nicht. Theoretisch besteht aber die Möglichkeit, dass Konzerne wie Dupont Pioneer aufgrund der Investitionsschutzklausel Genmais boykottierende Regierungen auf Schadenersatz klagen, wenn Verluste drohen.
Umweltschutzorganisationen orten eine viel greifbarere Gefahr, die über die Luft zu uns kommen könnte. Denn Pollen machen vor Grenzen nicht halt - der Pollenflug könnte den Genmais in Österreichs Grenzregionen bringen, zumal Slowakei und Tschechien gentechnisch veränderten Pflanzen nicht abgeneigt sind.
Warum die Gegner diese verhindern wollen: Pioneer 1507 bildet in allen Pflanzenteilen ein Insektizid, das nicht nur Schädlinge wie den Maiszünsler (Schmetterling), sondern auch nützliche Insekten vernichtet und sich im Boden anreichert. "In den Pollen ist die Konzentration des Insektizids 350 mal höher als in Mon 810", sagt Dagmar Urban von Greenpeace zur "Wiener Zeitung".
"Darf sich dem Fortschritt nicht verschließen"
Der Grund, warum einige Länder sämtliche Befürchtungen der Umweltschutzorganisationen in den Wind schlagen, liegt auf der Hand: Die wirtschaftlichen Vorteile gentechnisch veränderter Produkte sind enorm. Die Ernteerträge sind um vieles höher und die Pflanzen weniger anfällig, wodurch man Pestizide spart.
In Spanien wird daher bedenkenlos eine Fläche fast dreimal so groß wie Wien mit Mon 810 bepflanzt. Und selbst Deutschland, wo Genmais derzeit nicht angebaut werden darf, zweifelt. Bei der Abstimmung zu Pioneer 1507 enthielt es sich der Stimme, weil die Koalition uneins ist. Die CDU und somit Bundeskanzlerin Angela Merkel sind dafür, CSU und SPD dagegen. "Man darf sich dem Fortschritt nicht verschließen", ist eines der Hauptargumente der Befürworter. Spinnt man das Szenario weiter, könne die Gentechnik weltweit die Erträge steigern und gegen Hungersnöte helfen.
Egal wie die Debatte um Pioneer 1507 endet - das Thema ist damit jedenfalls sicher nicht abgehakt. Denn Pioneer 1507 ist nicht die einzige Gen-Sorte, deren EU-Zulassung ansteht: Rund 25 weitere warten in der Pipeline.
Selbstbestimmung einzelner Staaten: Verbraucherschutzkommissar Neven Mimica erklärte am Freitag, es gebe beim Opt-Out-Verfahren positive Entwicklungen. Es sei möglich, dass noch die jetzige EU-Kommission, deren Amtszeit im Herbst endet, eine Entscheidung treffe. In Deutschland plant Bayern einen Vorstoß im Bundesrat für ein nationales Verbot.