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Aus Gründen der christlichen und humanistischen Ethik lehnt die polnische Regierung es ab, dass von Gott geschaffene Organismen manipuliert werden.
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Es war einer Vertragsverletzungsklage der Europäischen Kommission gegen Polen gemäß Artikel 226 EG-Vertrag vorbehalten, auf die Frage der freien Verkehrsfähigkeit genmanipulierter Organismen vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) eine entsprechende Antwort zu erhalten.
Ausgangspunkt des Verfahrens in der Rechtssache C-165/08 Kommission gegen Polen war die Vorgangsweise Polens, in seinem Saatgutgesetz ein Verbot des Inverkehrbringens genetisch veränderten Saatgutes zu verankern. Daraufhin erging im Oktober 2006 ein Mahnschreiben der Kommission, dass das Saatgutgesetz sowohl gegen die Richtlinie 2001/18 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt als auch gegen die Richtlinie 2002/53 über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten verstoße.
Religiöse Grundsätze
Polen wendete im Vorverfahren gegen das Mahnschreiben vor allem das Vorsorgeprinzip und die Gefahr unumkehrbarer Folgen für die Biodiversität ein. Daneben verwies es auch auf befürchtete Beeinträchtigungen der öffentlichen Gesundheit und Umwelt. In seiner Klagebeantwortung im Hauptverfahren berief sich Polen aber ausschließlich auf die Beachtung religiöser und ethischer Grundsätze, die in der überwältigenden Mehrheit der polnischen Bevölkerung verankert seien und die die Manipulation von Gott geschaffener Organismen durch den Menschen verbieten würden.
Damit fielen aber die strittigen nationalen Vorschriften in den Bereich der öffentlichen Sittlichkeit, womit sie gemäß Artikel 30 EG-Vertrag gerechtfertigte Ausnahmen von der Marktfreiheit des freien Warenverkehrs darstellen würden.
Im Übrigen sei die Beachtung ethischer Prinzipien expressis verbis im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/18 verankert. In seinem Urteil vom Juli 2009 verwarf der EuGH diese Argumentation und stellte eine Vertragsverletzung der Republik Polen deswegen fest, da sie den freien Verkehr mit Saatgut genetisch veränderter Sorten und die Aufnahme genetisch veränderter Sorten in den nationalen Sortenkatalog verbietet.
Die Begründung des Urteils lautet, in aller Kürze, wie folgt: Polen sei nicht der Nachweis gelungen, dass mit den streitigen nationalen Vorschriften tatsächlich die geltend gemachten religiösen und ethischen Ziele verfolgt werden. Polen habe für das Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes der "öffentlichen Sittlichkeit" lediglich allgemeine Behauptungen vorgebracht, sodass dieser in Wirklichkeit nicht als eigenständiger Wert angesehen werden kann, sondern vielmehr mit dem Schutz der Gesundheit und der Umwelt zusammenfalle, wenngleich Polen beide Argumentationslinien offensichtlich bewusst im Vorverfahren und im Hauptverfahren getrennt habe.
Im Übrigen könne sich ein Mitgliedstaat eben nicht auf seine öffentliche Meinung stützen, um eine von den Gemeinschaftsorganen erlassene Harmonisierungsmaßnahme einseitig in Frage zu stellen.
Im Vergleich zur polnischen Position ist die Haltung des Vatikan zur Genmanipulation ambivalent. Während der Vorsitzende der Apostolischen Pönitentiarie, Gianfranco Girotti, genetische Manipulationen als "neue Sünde" bezeichnet, nimmt der "Biotechnik-Experte" des Vatikans, Bischof Sgreccia, zur "grünen" Genmanipulation eine permissivere Position ein: "Der Mensch ist autorisiert, Modifizierungen an Pflanzen und Tieren vorzunehmen, wenn die Vernunft ihm eingibt, dass es dem Wohl der Menschheit dient".