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Es ist ein Paradoxon, dass Europas Linke ausgerechnet jenen Mann verabscheut, der weitgehend ihre Positionen vertritt.
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Glaubt man der veröffentlichten Meinung des deutschen Sprachraums, dann ist Donald Trump ein extrem "rechtspopulistischer" Politiker. Das ist insofern nicht unoriginell, als die real existierende Politik des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika über sehr weite Strecken eine "linke" Politik ist, nimmt man die traditionellen Parameter als Maßstab.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die europäische Linke und die ihr nahestehenden Medien jenen Politiker zum Todfeind Nummer eins hochstilisieren, der weitgehend ihre eigene politische Agenda abarbeitet. Wie etwa rund um den Jahreswechsel, als Trump ankündigte, die US-Truppen aus Syrien abzuziehen (was er später relativiert hat), und dies unter anderem damit erklärte, dass die USA "nicht mehr länger der Weltpolizist" sein wollen.
Trump - ausgerechnet - erfüllt damit, spät aber doch, eine traditionelle Forderung linker europäischer Politiker und Aktivisten aller Art, die seit spätestens 1968 die Forderung "Ami go home!" zum Teil ihrer politischen Folklore gemacht haben. Nicht zufällig verfiel etwa Oskar Lafontaine, eine Galionsfigur der deutschen Linken, in Begeisterung über den vermeintlichen Rechtspopulisten: Es sei "ein Segen für die Menschheit (...) wenn Trump die Rolle der USA als ‚Weltpolizei‘ beenden würde", ließ er die Welt über Twitter - den bevorzugten Kommunikationskanal auch des US-Präsidenten - wissen.
Voll auf der Linie der europäischen Linken ist Trump auch, wenn es um die Nato geht. Verstehen die Linken diese als Werkzeug "imperialistischer Kriegstreiber", sieht Trump im Verteidigungsbündnis mehr Last als Nutzen für seine Heimat. Obsolet finden sie die Nato in weitgehender Übereinstimmung beide.
Ähnliches gilt für das Feld der Außenwirtschaftspolitik. Hier sind sich der US-Präsident und seine linken Kritiker diesseits des Atlantiks einig in Bezug auf internationale Freihandelsabkommen wie etwa TTIP, die unisono als Agenten der Globalisierung diffamiert und deshalb abgelehnt werden.
Sogar in der Arbeitsmarktpolitik gibt es Überschneidungen zwischen dem, was der vermeintlich rechtspopulistische Mann im Weißen Haus will, und dem, was lange traditionelle linke Positionen hierzulande waren oder sind. Ausgeprägte Skepsis gegenüber Zuwanderung aus den Balkanstaaten in den hiesigen Arbeitsmarkt ist typisch
für die Arbeiterkammern oder den ÖGB, so wie Trump jene aus Mexiko und Südamerika in die USA für schädlich hält und bekämpfen will.
"Was hierzulande oft übersehen oder verkannt wird: Sozialpolitisch ist er ein Linker", hat der deutsche Publizist Theo Sommer schon vor Trumps Wahl zum US-Präsidenten angemerkt, und sein Kollege Jan Fleischhauer flachste: "Wenn er darüber redet, wie er amerikanische Arbeitsplätze sichern will, klingt er wie ein typischer Gewerkschaftsboss." Dazu passt durchaus, dass Trump auch eher für Mindestlöhne plädiert und nicht grundsätzlich gegen eine Gesundheitsversicherung ist.
Es bleibt ein Rätsel der Linken Europas, warum sie ausgerechnet einen Mann, der sich derart viele ihrer eigenen politischen Ansichten zu eigen gemacht hat, so abgrundtief verachten.