Der Widerstand gegen Ceta bröckelt in der SPÖ. Heute könnte das Parteipräsidium grünes Licht für das Abkommen geben.
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Wien. Stimmt er zu oder nicht? Am heutigen Freitag hat Bundeskanzler Christian Kern das SPÖ-Parteipräsidium einberufen, um über das weitere Vorgehen rund um Ceta zu diskutieren. Der Widerstand gegen das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada scheint innerhalb der Partei langsam zu bröckeln. Er ist zumindest, nach dem Ceta-Urteil des Verfassungsgerichtshofs in Karlsruhe, nicht mehr so vehement. "Wenn ein Gericht feststellt, dass nationales Recht einen Ausstieg ermöglichen muss, dann verändert das einiges", sagte etwa Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Die Zeichen stehen daher sogar auf Zustimmung, ist aus SPÖ-Kreisen zu hören.
Am Freitag hat ja das Deutsche Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, unter Vorbehalt, grünes Licht für Ceta gegeben (siehe unten). Unter Vorbehalt deshalb, weil das Urteil in einem Eilverfahren gefällt wurde und nur unter bestimmten Bedingungen, etwa das schon beschlossene vorläufige Aussetzen der Schiedsgerichtbarkeit, gilt. Zudem kann die Regierung das Abkommen nur dann unterzeichnen, wenn sichergestellt ist, dass Deutschland dieses einseitig aufkündigen kann. Bundeskanzler Christian Kern hatte am Donnerstag gegenüber dem Ö1-Morgenjournal schon gesagt: "Wenn das Gericht in Karlsruhe Ja sagen würde, dann wäre das mit Sicherheit eine wichtige Entscheidungsgrundlage."
Urteil spielt Kern in die Hände
Unmittelbar nach der Urteilsverkündung wollte man die Entscheidung im Bundeskanzleramt nicht kommentieren und verwies auf die heutige Sitzung. Offiziell will man dort nur "diskutieren" und keine Entscheidung fällen. Das jüngste Urteil aus Karlsruhe und die Zusage der EU-Kommission, dass die Auslegungserklärung zu Ceta rechtlich bindend sein soll, spielen dem Kanzler in die Hände. In einem gemeinsamen Brief hatten sich Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner an Brüssel mit der Forderung gewandt, dass in der Auslegungserklärung das Wort "rechtsverbindlich" stehen soll. Die Kommission hat dem zugestimmt.
Das kann Kern vor seinen Parteikollegen als Erfolg verbuchen, denn ohne den Widerstand aus Österreich und auch aus Deutschland, gäbe es wohl keine Auslegungserklärung. Und auch das Urteil könnte die Genossen umstimmen, denn dieses bekräftigt, dass ein Land ja auch aus Ceta aussteigen kann.
Für den Kanzler wird es dennoch schwierig, die gesamte Partei auf Ceta-Kurs zu bringen. In einer Umfrage unter den SPÖ-Parteimitgliedern haben sich 89 Prozent der Befragten gegen eine Unterzeichnung des Abkommens ausgesprochen. Allerdings haben nur sieben Prozent der Parteimitglieder an der Umfrage überhaupt teilgenommen. Ob deren Bedenken nach der rechtlich bindenden Auslegungserklärung weg sind, ist fraglich.
SJ und Gewerkschaft skeptisch
Weiterhin gegen Ceta ist die Sozialistische Jugend (SJ). Diese hat für den heutigen Freitag sogar eine Protestaktion vor dem Parteipräsidium unter dem Motto "Übergeht uns nicht!" geplant. "Aus unserer Sicht sind die Unklarheiten keineswegs ausgeräumt. Wir haben nach wie vor Bedenken zu den Schiedsgerichten und in puncto Daseinsvorsorge", sagte die Verbandsvorsitzende der SJ, Julia Herr.
Der eigentliche Vertragstext sei weder nachverhandelt worden, noch sei die Daseinsvorsorge ausreichend vor Privatisierungsdruck geschützt. Bei der Protestaktion wolle man nochmal in Erinnerung rufen, dass es "breiten Widerstand" seitens der Gemeinden, Bauern, aber auch seitens der Landeshauptleute gebe. Auch die globalisierungskritische NGO Attac kritisiert, dass "die Zusatzerklärung nichts am Inhalt ändert" - außerdem sei es fraglich, ob sie wirklich rechtlich bindend sei, so deren Sprecher David Walch.
Für Kanzler Kern könnte die Gewerkschaft ein zäher Brocken werden. Die hegt nach wie vor massive Bedenken gegen Ceta. Am Donnerstag wollte man das Urteil aus Deutschland auch dort nicht kommentieren. Aber auch die Auslegungserläuterung konnte die Bedenken der Gewerkschaft nicht ausräumen. Eine vergangene Woche angekündigte "offizielle Stellungnahme zu Ceta" lässt weiter auf sich warten.
Österreich steht nicht allein mit seiner Kritik gegen das Freihandelsabkommen da. Die Reihen der Kritiker innerhalb der EU lichten sich aber langsam. Deutschlands Wirtschaftsminister Siegmar Gabriel hat es geschafft, seine SPD auf Ceta-Linie zu bringen. Widerstand gibt es noch aus Bulgarien und Rumänien, das aber nur, weil deren Bürger keine Visa-Freiheit für Kanada genießen.
Und aus Belgien. Das dortige wallonische Regionalparlament hat Donnerstagabend über Ceta abgestimmt. (Zu Redaktionsschluss lag noch keine Entscheidung vor, Anm.) Dieses ist gegen das internationale Schiedsgericht und kann mit einem Nein auch die belgische Regierung blockieren. Wenn die Wallonen aber Ceta doch zustimmen, stünde Österreich EU-weit so ziemlich allein mit seinem Ceta-Widerstand da. Und das wäre dann doch sehr viel internationaler Druck für ein so kleines Land.
Bis Dienstag braucht es dann ein endgültiges Ja oder Nein des Kanzlers. Dann soll in Brüssel auf Handels- und Außenministerebene eine Entscheidung getroffen werden. Am 27. Oktober soll dann Ceta von Seiten der EU und Kanada unterzeichnet werden.