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"Genossenschaften halten sich besser"

Von Stefan Janny

Reflexionen

Expansion in Osteuropa kein Fehler. | Mediaprint braucht dringend Reorganisation. | ÖIAG nach AUA-Verkauf überflüssig. | Christian Konrad: Selbsthilfe, Solidarität und auch Subsidiarität.


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Als Folge der Wirtschaftskrise müssen viele Unternehmen zusätzliches Kapital auftreiben. Bei einer Genossenschaft, dem Zusammenschluss von natürlichen und juristischen Personen, ist das nicht ganz so einfach. Haben sie es deshalb in der Krise schwieriger?

Genossenschaften halten sich besser, weil sie ein anderes Geschäftsmodell haben. Im Bankenbereich beschäftigen sie sich zum Beispiel mit lebenden Kunden, nicht mit virtuellen Produkten. Sie waren und sind auf Nachhaltigkeit und Langfristigkeit ausgelegt. Natürlich gibt es da und dort gewisse Veranlagungsrisken, jedoch bewegen sich diese in einem sehr überschaubaren Bereich. Trotzdem werden wir noch, wie alle anderen auch, die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Realwirtschaft zu spüren bekommen. Aber auch da sind wir vorsichtig genug aufgestellt, diese Krise zu überstehen.

Erst spürbar werdende Auswirkungen? Heißt das, dass der Tiefpunkt der Rezession noch nicht erreicht ist?

Das glaube jedenfalls ich. Die volle Wucht wird vermutlich im Herbst spürbar werden. Ich gehe aber davon aus, dass wir spätestens im zweiten Halbjahr 2010 einen Aufschwung in der Weltwirtschaft sehen werden.

Einige Zeit hatte der Name Raiffeisen in der Finanzwelt einen schalen Klang. Da gab es eine Titelgeschichte im "Wall Street Journal", über die beachtlichen Osteuropa-Risken der österreichischen Banken - mit einem Raiffeisenbank-Foto als Illustration.

Diese Story im "Wall Street Journal" ist ein klassisches Beispiel für schlechten Journalismus, denn der Redakteur hat erst zwei Tage, nachdem die Geschichte erschienen war, bei Raiffeisen International recherchiert. Offenbar wollte er durch eine vorangehende Recherche die Geschichte nicht zerstören. Das war Teil einer Kampagne, die von Amerika, zum Teil auch von Großbritannien ausgegangen ist, um Österreich zu diskreditieren. Nachher haben teilweise globale Institute wie der Internationale Währungsfonds da auch miteingestimmt, dessen Chef später ja erklären musste, dass sich seine Leute geirrt haben.

War es rückblickend ein Fehler, so forsch in Südost- und Osteuropa expandiert zu haben?

Nein, bis jetzt nicht, denn die Nachfrage war da. Die Menschen in diesen Ländern wollten das, was Westeuropa nach dem Krieg über 40 oder 50 Jahre aufgebaut hat, so rasch wie möglich ebenfalls haben. Jetzt sind wir eben in einer Phase, in der wir mit unseren Ressourcen haushalten müssen. Wir müssen darauf achten, dass wir die Risken nicht noch weiter anwachsen lassen.

Wir treten leise, schrumpfen bis zu einem gewissen Grad und schauen, dass wir die nächsten eineinhalb Jahre durchstehen, um dann wieder zu wachsen. Wir haben uns allerdings, und das wurde in diesen Ländern mit großer Genugtuung zur Kenntnis genommen, nicht zurückgezogen, wie das viele amerikanischen und westeuropäischen Banken getan haben.

Sie haben vor einiger Zeit gesagt, staatliche Unterstützung für den Raiffeisen-Geldsektor käme nur über Ihre Leiche in Frage. Mittlerweile . . .

Das war zu jenem Zeitpunkt, als diskutiert wurde, ob es nötig sein könnte, dass der Staat einspringt und, so wie das in England oder in Amerika passiert ist, Banken verstaatlicht.

Was ja auch in Österreich dann geschehen ist.

Bei einer Bank, die kaputt war. Ich wusste aber, dass Raiffeisen nicht kaputt ist, dass wir aber vermutlich Hilfe brauchen würden. Daher habe ich gesagt: Eine Verstaatlichung kommt nicht in Frage, nur über meine Leiche. Eine zeitlich befristete Hilfe zu teuren Konditionen, das ist okay. Aber es gibt kein Mitspracherecht des Staates. Dagegen habe ich mich gewehrt. Es hat keines Wunders bedurft, um aus dem Konrad einen Lazarus zu machen, es hat sozusagen nur eine vernünftige politische Entscheidung gebraucht.

Raiffeisen tritt am Markt in vielen Fällen nicht als Genossenschaft, sondern in Form von Kapitalgesellschaften auf. E in Widerspruch?

Nein, das glauben wir nicht. Es gibt drei klassische Sparten, in denen Genossenschaften aktiv waren: Das sind die Kreditgenossenschaften, die Raiffeisenbanken - die gibt es weiterhin. Wobei auf Bundesebene und zum Teil auch auf Landesebene mittlerweile Kapitalgesellschaften die Bankgeschäfte erledigen, aber Genossenschaften weiterhin Eigentümer sind und Kontrollrechte ausüben. Die Verarbeitungsgenossenschaften, also Molkereien, sind bis auf eine alle Genossenschaften.

Aber Agrana, Strabag und viele andere, die Raiffeisen zugerechnet werden, sind keine Genossenschaften.

Das sind Beteiligungen, die sich über die Jahre entwickelt haben. Wir glauben, dass unsere Beteiligungen ein wichtiger Beitrag für die Volkswirtschaft sind.

Wie sind die Beteiligungen im Mediensektor zu begründen - Raiffeisen hält eine 50,5 Prozent-Beteiligung am Kurier?

Das ist eine Branche, die wirtschaftlich nicht von großer Bedeutung ist. Da sind wir aus einer Solidaraktion der österreichischen Industrie, wo die Landwirtschaft eine geringe Rolle gespielt hat, durch den Lauf der Geschichte in eine Mehrheitsposition beim "Kurier" gewachsen, zu der wir uns auch bekennen. Wir betrachten das Engagement zwar ausschließlich unter wirtschaftlichen Aspekten, verstehen es aber gesellschaftspolitisch auch als einen Beitrag zu einer freien pluralistischen Gesellschaft.

Wird die Familie Dichand in absehbarer Zeit die Mehrheit an der "Kronen Zeitung" übernehmen?

Das kann durchaus sein. Aber es ist so, dass diese Überlegungen zu einer Veränderung der Gesellschafterstruktur schon seit längerer Zeit bestehen.

Ich wünsche mir, dass bald Klarheit herrscht, weil wir ja mit der "Kronen Zeitung" gemeinsam im Mediaprint-Verlag engagiert sind, der dringend einer Reorganisation bedarf. Eine Bereinigung der Gesellschafterstruktur würde die Dinge sicher erleichtern.

Welche Reorganisation ist bei der Mediaprint nötig?

Die Mediaprint ist verkrustet. Sie war in ihren geschäftlichen Aktivitäten durch unterschiedliche Interessen der WAZ und der Familie Dichand gelähmt. Raiffeisen ist dort in Wahrheit der Diener, weil wir alleine gegen zwei Gesellschafter keine Möglichkeit haben zu agieren und weil wir uns nicht immer durchgesetzt haben. Zudem sind die Verträge in der "Kronen Zeitung" so gestaltet, dass WAZ und Dichand nur gemeinschaftlich agieren können, daher ist es sehr schwierig, uns da Raum zu verschaffen. Alles, was zu einer Erleichterung der Situation führt, wird begrüßt.

Es scheint, dass sich die Sache derzeit am Preis spießt.

Ich weiß es nicht.

Das glaube ich nicht.

Es ist die Wahrheit. Die WAZ ist ja auch unser Gesellschafter im "Kurier" und hat mich informiert, dass die Gespräche sehr Erfolg versprechend laufen und sie mich wissen lassen würden, wenn sie zu einem formellen Ende kommen. Es hat schon einmal fast so geklungen, als würde es eine Vereinbarung geben. Offenbar ist das noch nicht zur Gänze der Fall. Die formelle Vereinbarung steht offenbar auch noch aus. Woran es liegt, weiß ich nicht.

Braucht die Republik zur Verwaltung ihrer Beteiligungen weiterhin die ÖIAG?

Die ÖIAG hält derzeit vier Beteiligungen. Wenn der Wunsch, die AUA abzugeben, in Erfüllung geht, sind es nur mehr drei und zwei davon sind Minderheitsbeteiligungen. Für das brauche ich keine ÖIAG.

Sie stimmen also mit dem Bundeskanzler überein, der die ÖIAG auflösen möchte?

Das ist eine Frage des Weges und des Zeitpunktes. Man könnte überlegen, Infrastrukturunternehmen wie die Asfinag oder den Verbund unter das Dach der ÖIAG zu nehmen. Aber für die Minderheitsbeteiligungen bei Telekom und OMV brauche ich keine ÖIAG.

Wie wird die österreichischeBankenlandschaft in zehn Jahren ausschauen?

Ich glaube, dass es zwei große und einen mittelgroßen dezentralen Sektor geben wird. Zudem wird es Töchter ausländischer Banken geben. Zum einen die Bank Austria und weiters vermutlich die Bawag, da ich nicht glaube, dass die Bawag in österreichische Hände reprivatisiert werden wird.

Cerberus wird die Bawag an eine ausländische Bank verkaufen?

Das nehme ich an.

Vor kurzem gab es von Ihrer Seite einen Vorstoß, dass Erste Bank und Raiffeisen bei internationalen Aktivitäten enger kooperieren.

Das sind Ideen, die in der Vergangenheit besprochen wurden, aber zu keinem Ergebnis geführt haben. Und ich nehme an, dass wir die nächsten 1, 2, 3 Jahre andere Sorgen haben werden.

Die ursprüngliche Frage war der Blick ins Jahr 2019.

Da wage ich diesbezüglich keine Prognose. Ich schließe es nicht aus, aber es muss auch nicht sein.

Zur PersonChristian Konrad wurde am 24. Juli 1944 im niederösterreichischen Wolkersdorf geboren. Er studierte Rechtswissenschaften an der Uni Wien. 1969 war Konrad für die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien (RLB NÖ-Wien) tätig, wechselte aber 1970 in die NÖ Landwirtschaftskammer. Er kehrte 1973 als Assistent des Generaldirektors in die RLB NÖ-Wien zurück, wo er 1981 zum Hauptabteilungsleiter und 1985 zum Geschäftsleiter aufstieg. 1990 wurde Konrad zum Obmann der RLB NÖ-Wien und 1994 zum Generalanwalt des Raiffeisenverbandes gewählt. Neben diesen Funktionen ist Konrad im Aufsichtsrat von einigen Raiffeisen nahestehenden Unternehmen.