Im Kampf gegen die Verdrängung traditioneller Kulturpflanzen durch gentechnisch manipulierte Feldfrüchte sehen oberösterreichische Landesräte ein leises Entgegenkommen von EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel. Für eine gemeinsame EU-Gesetzgebung gab es aber eine glatte Abfuhr.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Eine gemeinsame Gesetzgebung für die ganze EU ist unmöglich", bekräftigte Fischer Boel gestern in Brüssel nach dem ersten Treffen mit dem im Februar gegründeten Netzwerk der gentechnikfreien Regionen Europas. Dies betreffe sowohl den Anbau gezielt mutierter Pflanzen als auch die Haftung für dadurch entstandenen Schaden. Dafür seien die klimatischen Bedingungen in den einzelnen Anbaugebieten zu unterschiedlich. Auch können gesetzliche Verbote der umstrittenen Aussaat - wie derzeit eines in Oberösterreich besteht - nicht akzeptiert werden. Produzenten der von der EU freigegebenen Gen-Pflanzen müssen auf dem Markt eine Chance haben, hatte die Kommissarin bereits früher betont.
OÖ hoffnungsfroh, Kärnten ernüchtert
Oberösterreich ist einer der Vorreiter beim Schutz der traditionellen und vor allem der biologischen Landwirtschaft und hat sich damit bereits letztes Jahr eine Klage der Kommission beim Europäischen Gerichtshof eingehandelt. Die Landesräte für Umwelt und Landwirtschaft, Rudolf Anschober und Josef Stockinger, gaben sich trotz der mahnenden Worte der Kommissarin zuversichtlich. In wichtigen Bereichen habe Fischer Boel "einen Türspalt geöffnet".
So habe sie sich etwa grundsätzlich zum Verursacherprinzip bei Haftungsfragen für Schäden durch "gentechnisch veränderte Organismen" (GVOs) bekannt. Ferner sei sie bereit, in Einzelfällen nationale Einschränkungen zu akzeptieren. Dazu müsse jedoch die technische Unmöglichkeit der Koexistenz der potentiell konkurrierenden Nutzpflanzen nachgewiesen werden. Genau das versucht Oberösterreich unter Verweis auf seine klein strukturierte Landwirtschaft vor dem EU-Gericht in Luxemburg. Die Landesregierung beruft sich auf einen Bericht des Gentechnikexperten Werner Müller von Global 2000. Dieser kommt zu dem Schluss, dass der großflächige Einsatz von gentechnisch verändertem Saatgut letztlich zu einer Verdrängung konventioneller und biologischer Kulturen führt.
"Ernüchternd" fand das Treffen hingegen der Kärntner Agrarlandesrat Josef Martinz. Fischer Boel habe sich "nicht mehr so zuversichtlich wie vor ein paar Monaten geäußert". Lediglich die Prüfung der geltenden nationalen Bestimmungen zur Koexistenz bis Ende des Jahres sicherte die Kommissarin zu. Möglicherweise könnte die EU-Behörde anschließend einen europäischen Rechtsrahmen vorschlagen.