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Die Regierung ist dabei, mehr zu helfen, als die Experten richtig finden. Aus Schwäche.
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"Ich denke, es wäre gut, jetzt einmal zu sagen: Es ist genug." Mit diesem - ohnehin diplomatisch formulierten - Satz stellte sich der Leiter des Instituts für Höhere Studien, Klaus Neusser, via Ö1 gegen die Ankündigung von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), zusätzlich zum Strom auch für Gas, Pellets und Öl Finanzhilfen auszuschütten. Und Michael Böheim vom Wifo warnte: "Wenn sie jetzt die Büchse der Pandora aufmachen und dann mehr oder weniger kaskadenartig alle anderen Energieträger auch subventionieren, dann rutscht man langsam in eine Energieplanwirtschaft hinein."
Man darf davon ausgehen, dass diese Warner, zu denen sich mit Christoph Badelt auch noch der oberste Wächter über die Budgetstabilität gesellt, die Regierung wenig kümmern, wenn sich ÖVP und Grüne am Mittwoch zum Ministerrat treffen, um jetzt einmal die Strompreisbremse für Haushalte auf den Weg zu bringen. Im Anschluss gilt es dann, eine Unterstützung für Unternehmen zu erarbeiten, um daraufhin der Ankündigung des Kanzlers Taten folgen zu lassen.
An der Notwendigkeit umfassender Hilfen besteht wenig Zweifel. Die massiv gestiegenen Energiepreise kombiniert mit Inflationsraten, wie sie Österreich und Europa seit bald 40 Jahren nicht mehr gesehen haben, tragen die Gefahr schwerer wirtschaftlicher wie sozialer Verwerfungen in sich. Diese gilt es abzuwenden, und das hat seinen Preis.
Doch in Österreich kommt noch ein Spezifikum hinzu: Das Vertrauen in die Politik - längst nicht nur in die Regierung, wie die Opposition gerne glauben möchte - ist an einem Tiefpunkt angelangt, der sämtliche Akteure mit dem Rücken zur Wand stehen lässt. Die Opposition kann das nur rhetorisch kompensieren, die Regierung flüchtet sich angesichts des wachsenden Drucks, unter dem sie steht, in eine Abfolge immer neuer Hilfsversprechen. Wobei die laufenden Wahlkämpfe die Bedeutung der emotionalen Stimmungslage, vor allem der Unzufriedenheit noch weiter ansteigen lassen.
In dieser Konstellation hat jede Regierung, egal in welchem Land, Probleme, kühlen Kopf zu bewahren und Maßnahmen strikt nach deren objektiver Notwendigkeit zu kalibrieren - und in Österreich noch mehr. Das führt dazu, dass die Politik ihren Anspruch auf Vorrang wieder absolut setzt und den Standpunkt wissenschaftlich fundierter Expertise in den Wind schlagen zu müssen glaubt.
Einst hat die Politik Experten zurate gezogen, um ihre Entscheidungen gegen Kritik abzusichern. Jetzt will sie dieses Ziel erreichen, indem sie die Expertise abtut. Darin liegt jedoch kein Zeichen von Stärke, sondern vielmehr von tiefer Verunsicherung.