Der neue Presserat lässt lange auf sich warten. Gebraucht wird er von manchen schon, ehe es ihn gibt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Achteinhalb Jahre hat es seit dem Untergang des einstigen Presserates zur Selbstkontrolle der Medien gedauert, bis eine Nachfolgeinstitution in Sichtweite kommt. Das letzte Stück der Verwirklichung zieht sich schon seit Jahresanfang, jetzt wird endlich versprochen, dass das freiwillige, für Medienethik kämpfende Gremium im September die Arbeit aufnehmen wird. Hoffen wir es.
Bei dem bereits nominierten Präsidenten des Presserates, dem Vorsitzenden der Journalistengewerkschaft, Franz C. Bauer, flatterten in den vergangenen Tagen erste Beschwerden ein - von Zeitungslesern, aber auch von politischer Seite. Prominentester Beschwerdeführer ist Rechnungshofpräsident Josef Moser, der sich im Zusammenhang mit den angeblichen Konten des Ex-Landeshauptmannes Jörg Haider von der Boulevardzeitung "Österreich" verunglimpft fühlt. Das BZÖ ist über "Profil" wegen des Sensationsartikels über behauptete Geldzuwendungen des einstigen irakischen Diktators Saddam Hussein verärgert.
Der Presserat soll die mediale Behandlung solcher Behauptungen gewissenhaft und neutral prüfen. Er wird sich also sehr rasch mitten im Parteienhader des Landes wiederfinden. Personen und Organisationen aus dem freiheitlichen Lager gehören traditionell zu den wackersten Beschwerdeführern. Das soll den Presserat, der für mehr Ethik in den Medien sorgen will, nicht irritieren. Gerade weil sich politischer Zwist und Hader auch in Zeitungen spiegelt, braucht man ihn erst recht. Die vorzeitigen Beschwerden wirken wie eine Reklame für ihn.
Ob ein Presserat nötig ist, lässt sich nicht davon ableiten, ob er durchgreifen kann. Er kann es nämlich nicht, diese Klage hört man auch in anderen Staaten, in denen ähnliche Institutionen um mehr Verantwortung, mehr Fairness, mehr journalistisches Ethos ringen. Es ist dennoch wichtig, dass von kompetenter Seite Entscheidungen und auch Rügen formuliert werden, die die Prinzipien journalistischer Anständigkeit betreffen.
In dem Vakuum seit Dezember 2001, in dem der alte Presserat ausgelöscht wurde, waren in Österreich Erscheinungen zu beobachten, die der Medienethik
absolut nicht dienlich waren. Die Boulevardisierung in der Berichterstattung schritt fort, zumal neue Formen der Markteroberung Furore machten. Gratis- und Halbgratiszeitungen griffen in ihren Feldzügen um hohe Auflagen und Reichweiten mitunter grob zu. Ein überraschendes Nebenergebnis dieser Kampagne-Stimmung ist, dass in Österreich als einem von wenigen Ländern Europas die Gesamtauflagen phasenweise sogar stiegen statt zu sinken. Der Markt ist kein Ethiker.
Die Bewährungsprobe für den Presserat wird einerseits darin bestehen, dass er sich von den rein innen- und zumeist parteipolitischen Ränkespielen nicht zuschütten und schon gar nicht missbrauchen lässt, sondern unbeeindruckt nach dem Rechten sieht. Eine zweite Aufgabe ist vielleicht sogar schwieriger als die Behandlung von Beschwerden: Er müsste den Mut haben, von sich aus Missstände wahrzunehmen und ein klares Wort zu sprechen. Anlässe gibt es mehrere. Die ausufernde Praxis von Ministerien, staatlichen und halbstaatlichen Organisationen, einzelne Medien durch einseitig verteilte und aus Steuergeldern bezahlte Inserate willfährig stimmen zu wollen, wächst sich zu einem politisch-medialen Skandal aus.
Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor "Wirtschaftsblatt", "Presse" und "Salzburger Nachrichten".