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Genussvoll Wohnen

Von Alexia Weiss

Reflexionen
Philippe Telliez hat seine Wohnung in jahrelanger Kleinarbeit zum Luxusobjekt ausgebaut
© Weiss

Er ist kein Tapezierer, betont Philippe Telliez. "Ich bin Tapissier." Ein Beruf, der in Österreich leider vom Aussterben begriffen ist, wie der gebürtige Franzose betont. Er schafft in seinem Atelier nahe des Karmelitermarkts Wohnkultur, die in längst vergangene Zeiten zurückführt.


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Wenn Philippe Telliez (44) von seiner Arbeit erzählt, dann leuchten nicht nur seine Augen, auch seine Hände sprechen mit, unterstreichen, zeichnen Formen in die Luft. Was er am Umgang mit Stoffen liebt? "Ich mag die Handarbeit, das Verarbeiten von Naturmaterialien, die Ruhe beim Arbeiten. Und ich liebe das 18. Jahrhundert, die Farben des 18. Jahrhunderts, das waren vor allem Pastellfarben."

In seinem Atelier fertig Telliez heute Wandbespannungen und Vorhänge, restauriert alte Polstermöbel, fertigt aber auch neue nach alten Vorlagen. Hier kooperiert er mit dem Wiener Kunsttischler Paul Hagenauer. Für "Art for Art", Ausstatter der Bundestheater, veredelte er kürzlich Stoffe, aus denen schließlich Kostüme für die Staatsopern-Inszenierung von "Don Giovanni" genäht wurden. Was das bedeutet? "Ich habe besondere Borten genäht und capitons, das sind diese kleinen Vertiefungen, die zum Beispiel bei Sofas zu Stoffknöpfen hinführen. Ich denke, das nennt man auch im Deutschen so."

Wenn man mit Philippe Telliez spricht, ist seine französische Herkunft unüberhörbar. Er wuchs in Frankreich auf, begann dort im Alter von 16 Jahren an einer Fachschule den Beruf des Tapissiers und Decorateurs zu erlernen. Die Nähe zu diesem Ausstattungsberuf liegt in der Familie: Vater Telliez war Kunstmaler. "Er malte falschen Marmor, falsches Holz, falsche Patina, er vergoldete Stuck."

Nur kurz arbeitete der Sohn nach Abschluss seiner Ausbildung im väterlichen Betrieb. Es zog ihn rasch nach Paris. In drei Jahren arbeitete er in fünf Firmen - nicht, weil er seine Arbeitsplätze nicht lange behielt, sondern weil er möglichst viel lernen wollte. "Ich wollte sehen, wie man Canapés erzeugt. Ich habe aber auch für eine Firma gearbeitet, die elegante Möbel für große Events vermietet hat. Heute sage ich, das war meine Lehrzeit. Es war für mich eine schöne Zeit."

In diesen Pariser Jahren lernte er auch seine heutige Frau Diana kennen - eine Österreicherin. Die Entscheidung, für eine Zeit lang nach Großbritannien zu gehen, revidierte er daher und beschloss, eine Weile in Wien zu leben. Den ersten Job hier, vor mittlerweile 22 Jahren, habe er innerhalb einer Stunde gefunden, erinnert sich Telliez, und zwar beim Innenausstatter Friedrich Otto Schmidt, damals wie heute auf der inneren Währinger

Straße beheimatet. Es folgten Heirat und die Geburt des ersten der insgesamt vier Söhne des Paares. Und die Entscheidung, sich selbständig zu machen. "Ich wollte so gerne selbstständig sein. Aber es war nicht einfach. Meine Prüfungen waren nicht gültig, mein Führerschein war nicht gültig. Es ging einfach nicht." Und so zog die Familie dorthin, wo Telliez auch aufgewachsen war: nach Lille. "Wir haben dort ein kleines Geschäft aufgemacht, das sehr gut funktioniert hat. Ein paar Jahre später haben wir ein zweites eröffnet, insgesamt hatten wir dann acht Mitarbeiter."

Lille, das nur eine Zwischenlandung sein sollte, ließ die Familie nicht gehen. "Meine Frau hat immer vom Leben am Land geträumt, aber das Geschäft ging einfach so gut. Und so sind wir elf Jahre geblieben." Dann doch die Entscheidung, auf das Land zu ziehen. Ein Winzerhaus nahe Krems hatte es dem französisch-österreichischen Paar angetan. Und so folgte eine neuerliche Übersiedlung nach Österreich.

Doch das Wunschobjekt stellte sich als zu baufällig heraus. Die Familie schloss den Vertrag nicht ab, zog nach Wien, eröffnete hier 2004 in der Großen Pfarrgasse unweit des Karmelitermarkts das "Atelier Telliez" und kaufte kurz darauf eine nahe gelegene - zu restaurierende - Wohnung in einem Gründerzeithaus. In jahrelanger Arbeit ließ Telliez auch den alten Glanz dieser Beletage-Wohnung wieder erstehen. Er restaurierte den schwer beschädigten Intarsienboden, suchte in Abrisshäusern und auf Flohmärkten nach originalen Doppeltüren, Innenfenstern, Türklinken, Vorhangträgern. "Ich finde es traurig und eine Schande, was derzeit bei Renovierungen von Altbauwohnungen alles im Müll landet und dann durch Laminatböden oder Kunststoffteile ersetzt wird." Einen passenden Marmorkamin fand er in Paris. Die Fauteuils sind selbst gefertigt im Stil Louis XV., die Wandbespannungen entführen ebenfalls ins 18. Jahrhundert.

So zu leben, ist für Philippe Telliez Lebensart. "Ich genieße es, eine handbemalte Tasse in der Hand, in einem dieser Fauteuils vor dem Kamin zu sitzen, Tee zu trinken und klassische Musik zu hören. Dann geht es mir wirklich gut." Wie ein elegantes Kleid eine Dame dazu bringt, auch eleganter aufzutreten als etwa in einer Jean, so bringe stilvolles Wohnen einen zudem dazu, sich besser zu benehmen, ist Telliez überzeugt. Und bemüht gleich noch einen Vergleich aus der Modewelt: "Schöne Vorhänge sind wie ein Ballkleid. Man fühlt sich gleich ganz anders."

In Österreich schätzen allerdings immer weniger Menschen diesen Lebensstil, bedauert der Tapissier. Hier sind es vor allem sehr wohlhabende Kunden, die ihn mit der Restauration einzelner Stücke bis hin zur Ausstattung von Villen und Schlössern beauftragen. Sie wollen anonym bleiben und verbergen ihre Interieurs vor den Augen der Öffentlichkeit. "Ein Jahr lang habe ich beispielsweise an den Wandbespannungen und Vorhängen für eine an die 1000 Quadratmeter große Villa gearbeitet", erzählt Telliez. Fauteuils habe er für diesen Kunden im Stil Josef Hoffmanns nach Maß angefertigt.

In Frankreich sei die Herangehensweise etwas anders. "Für eine Französin - 90 Prozent der Kunden sind Frauen - sind die Farben wichtig, der Stoff, der Dekors. Da darf ein Möbelstück dann schon auch einmal mehr kosten, trotzdem man weiß, dass es nicht für die Ewigkeit ist. Franzosen geben einfach etwas mehr aus für ihre Inneneinrichtung. Für die Österreicherin muss es in erster Linie praktisch sein, waschbar und jeden Tag nutzbar."

Das sei wohl auch der Grund dafür, dass "ich einen Beruf habe, der in Österreich leider stirbt". Polstermöbel die ausschließlich genäht und gehämmert würden, nur mit Materialien wie Hanf, Kokos, Rosshaar gefüllt seien, die kosten eben. "Die Leute, die zu mir ins Geschäft kommen, die wissen das aber. Die wissen, dass diese Qualität einfach ihren Preis hat. Diese Menschen schätzen traditionelle Polsterungen, handgenähte Vorhänge aus handgewebten Stoffen."

Telliez verzichtet in seiner Arbeit weitgehend auf Klebstoff und lehnt grundsätzlich moderne Materialien in der Innenausstattung ab. Beispiel Böden: "Laminat ist tot. Ein Parkettboden ist lebendig." Ähnliches gelte für Pressspanplatten, Polyesterbezüge. "Wir wissen ja auch noch gar nicht, wie ungesund das Wohnen mit solchen Materialien ist."

Mit seiner Frau und seinen Söhnen gebe es durchaus den einen oder anderen Konflikt, wenn es ums Thema Wohnen geht, räumt Telliez zwar ein. Ein Fleck auf einem hellen Fauteuils lasse sich eben zum Leidwesen seiner Frau nicht mehr entfernen. Und Jugendliche würden sich manchmal ein moderneres Wohnen wünschen. "Wenn meine Kinder aber Freunde zu Besuch haben und sie dann im Salon sitzen, dann spüre ich schon, wie es allen gefällt, in einem schönen Raum zu sein, in einem schönen Ambiente."

Atelier Telliez

Große Pfarrgasse 26, 1010 Wien

T: 01/ 212 08 57