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Geordneter Grenzverkehr oder Chaos

Von Simon Rosner

Politik

Österreich und Deutschland haben bisher pragmatisch agiert, nun muss sich Österreich für den Fall der Fälle rüsten.


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Wien. Säbelrasseln kennt man als Sprachbild für eine Drohgebärde. Relativ neu ist das Rasseln auf politischer Ebene mit Flüchtlingsmassen. So wehrte sich etwa Ungarns Premier Viktor Orbán gegen Kritik aus Österreich und Deutschland wegen der Errichtung des Grenzzaunes zu Serbien mit dem Droh-Argument, dass "sonst jeden Tag zehntausende Flüchtlinge nach Deutschland und Österreich" kommen werden.

In der internationalen Debatte um den Umgang mit der Migration in die EU spielt Ungarn mittlerweile kaum noch eine Rolle, dafür hat wieder zwischen Österreich und Deutschland, sowie natürlich vor allem innerhalb Deutschlands, das Flüchtlingsrasseln eingesetzt.

Aus dem bisherigen Vorgehen der österreichischen und deutschen Behörden sprach in erster Linie der Pragmatismus: Die Menschen würden sich ohnehin nicht aufhalten lassen, also geht es primär um eine koordinierte Organisation, die Bedacht auf die Kapazitäten in den beiden Ländern nahm. Es ist eine Strategie, die Bayern und Salzburg beziehungsweise Oberösterreich als kommunizierende Gefäße verstand. Waren die Notschlafstellen in Salzburg voll, wurden wieder etwas mehr Flüchtlinge über die Grenze gebracht.

Es war ein Vorgehen, das in der Realität allen genützt hat. In Salzburg wurden die Flüchtlinge bisher an einem Ort an Deutschland organisiert übergeben, womit allen gedient war. Es machte die Versorgung der Flüchtlinge für die Hilfsorganisationen dies- und jenseits der Grenze leichter, und auch die Behörden konnten den Strom damit besser steuern. Bis auf eine kurze Ausnahme gleich zu Beginn der verstärkten Grenzkontrollen Deutschlands kam es auch zu keinen chaotischen Szenen, und zwar hüben wie drüben nicht.

Vor allem die Grenznähe der Stadt Salzburg, wo der Großteil auf die Weiterreise wartet, ist potenziell problematisch. Vom Bahnhof sind binnen einer Stunde Fußmarsch diverse Grenzübergänge zu erreichen, dennoch warten die Flüchtlinge bisher geduldig auf den Weitertransport, versuchen es nicht auf eigene Faust. Das wäre anders, sollte Bayern mit seinen Drohungen tatsächlich ernst machen.

Mehr Notschlafquartiere

Das Innenministerium bereitet sich auf den Fall der Fälle zwar vor, doch das bedeutet in erster Linie, entsprechend Platz für Notschlafquartiere zur Verfügung zu haben. Da sich die Anzahl der Grenzübertritte nach Österreich nach bis zu 20.000 Menschen pro Tag Mitte September nun deutlich reduziert hat und sich bei 5000 bis 6000 Personen pro Tag eingependelt hat, ist nun auch eine bessere Planbarkeit gegeben. Einige Notschlafquartiere stehen mittlerweile leer oder haben noch genügend Kapazität, sollte es zu einem Rückstau nach Deutschland kommen.

Österreich kann die Flüchtlinge in den Quartieren aber jedenfalls nicht einsperren, es wäre also damit zu rechnen, dass sich viele dann selbst auf den Weg in Richtung Deutschland machen wollen. Davon geht jedenfalls das Innenministerium aus. Ein Rückstau hierzulande könnte zu einer "humanitären Krise" führen, erklärte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.

Auf kommunikativer wie realpolitischer Ebene war Österreich bisher bemüht (und auch gut beraten), im Gleichklang mit dem Nachbarn zu agieren. Diesen "Gleichklang mit Deutschland" fordert auch Landeshauptmann Wilfried Haslauer, da sonst eine "massive Überforderung unseres Landes" drohe. Allerdings wird die Abstimmung mit dem Nachbarn erschwert, wenn die Tonlage in Berlin und München derart unterschiedlich ist. Durch den innerdeutschen Konflikt sind die Gespräche auf politischer bilateraler Ebene nicht unheikel. Bezeichnend ist die Aussage Hauslauers, "dass die bisherige gute Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Österreich, aber auch zwischen Salzburg und Bayern" fortgesetzt werden solle.

Dass sich Menschenmassen nicht aufhalten lassen, hat vor allem der September bewiesen. Ungarn hat auch mit rigiden Gesetzen und Grenzzaun die Migration nicht auf null gebracht. Die Entscheidungsmöglichkeit, heißt es aus Kreisen der österreichischen Regierung, liege zwischen geordneter und ungeordneter Einreise von Flüchtlingen. In Salzburg und Oberösterreich gibt es mehr als 30 Grenzübergänge zu Bayern, nördlich von Passau zudem mehr als 50 Kilometer recht gut passierbarer grüner Grenze. Eine Massenflucht über diesen Weg haben sich Deutschland und Österreich bisher erspart.