Wahlmanipulationen gaben bei knappen Resultaten den Ausschlag.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. "Der wahre Sieger der Wahl wird nie mit vollständiger Sicherheit feststehen", sagte Höchstrichter John Paul Stevens, nachdem der Supreme Court am 12. Dezember 2000 mit 5:4 Stimmen eine weitere Nachzählung der Stimmen im Bundesstaat Florida untersagt und damit George W. Bush den Weg ins Weiße Haus geebnet hatte, das er erst im Jänner 2009 - nach dem von ihm begonnen Kriegen in Afghanistan und im Irak - wieder verlassen sollte.
Mehr als ein Monat lang hatte das Tauziehen zwischen den Rechtsanwaltsteams des republikanischen Kandidaten Bush und seines demokratischen Rivalen Al Gore nach der Wahl am 7. November gedauert, bis der Kampf um die 25 Wahlmänner aus Florida entschieden war. Zuvor hatten in einem fast täglichen Wechselbad der Gefühle Bezirks- und Höchstgerichte die Nachzählung der in Wahlmaschinen per Stanzdruck ausgefüllten Stimmzettel jeweils zugelassen und untersagt. Die ganze Welt verfolgte, ob die sogenannten "chads", die auszustanzenden Papierschnitzel, wirklich entfernt waren oder noch an den Wahlzetteln hingen.
Bei rund sechs Millionen Wählern lag Bush nach den umstrittenen Ergebnissen gerade einmal 537 Stimmen vor Gore. Dieser hatte insgesamt in allen Bundesstaaten rund 540.000 Stimmen mehr als Bush erhalten. Wegen des archaisch anmutenden Wahlmännersystems waren auf Gore aber nur 266 Wahlmänner entfallen, während Bush mit den 25 Elektoren aus Florida auf 271 kam.
Dass ausgerechnet in Florida Bushs Bruder Jeb zu diesem Zeitpunkt Gouverneur war und die Innenministerin des Bundesstaates, Katharine Harris, von Anfang an eine entscheidende Rolle beim Abbruch der Stimmennachzählung spielte, war für George W. sicher nicht von Nachteil.
Immerhin wurde als Konsequenz aus der Kritik an den Wahlmaschinen am 3. Mai 2007 in Florida ein Gesetz verabschiedet, mit dem der alte papierene Stimmzettel wiedereingeführt wurde.
Reiche Tradition
Die Zuteilung der Wahlmänner aus Florida durch eine 15-köpfige - aus Mitgliedern des Repräsentantenhauses, des Senats und des Höchstgerichts zusammengesetzte - Wahlkommission hatte schon einmal eine Präsidentenwahl zugunsten der Republikaner entschieden, die davon profitierten, dass sie in der Kommission eine Stimme Mehrheit hatten. 1876 wurde Rutherford Hayes Präsident und nicht der Demokrat Samuel Tilden, auf den 51 Prozent der Wählerstimmen und 184 Wahlmänner entfallen waren. Hayes bekam zu seinen ursprünglichen 165 Wahlmännern noch die 20 aus den umstrittenen Bundesstaaten Florida (4), Louisiana (8), South Carolina (7) und Oregon (1) dazu und damit die knappste mögliche Mehrheit. Zuvor hatten die Republikaner den Demokraten vorgeworfen, ihre Unterstützer durch paramilitärische Einheiten von der Wahl abgehalten zu haben. Die Demokraten wiederum beschuldigten die Republikaner, in den drei umstrittenen Südstaaten demokratische Stimmen unterschlagen zu haben.
Von heftigen gegenseitigen Wahlfälschungsvorwürfen waren auch die Präsidentschaftswahlen von 1960 begleitet, als der demokratische Senator John F. Kennedy gegen den scheidenden republikanischen Vizepräsidenten Richard Nixon antrat. Bei rund 73 Millionen Wählern entfielen im Endresultat auf Kennedy gerade einmal knapp 113.000 Stimmen mehr als auf Nixon. Der damalige demokratische Bürgermeister von Chicago, Richard J. Daley, ließ sogar Tote in die Wahllisten eintragen und sicherte Kennedy so die wichtigen Wahlmännerstimmen von Illinois. Richard Nixons Helfer agierten in Kalifornien auf gleiche Weise.