Zum Hauptinhalt springen

George W. Bush in der Defensive

Von Daniel Jahn

Politik

Noch nie in seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit ist US-Präsident George W. Bush derart in die Defensive geraten. Es hat nicht viel genutzt, dass CIA-Chef George Tenet die Verantwortung für die fragwürdigen Geheimdienstvorwürfe gegen Saddam Hussein übernahm. Auf dem Präsidenten lastet weiterhin der Verdacht, er habe wissentlich für seine Rede zur Lage der Nation im Jänner das Belastungsmaterial aufblähen lassen, um dem Plädoyer für den Krieg mehr Überzeugungskraft zu verleihen. "Das Problem ist nicht George Tenet. Das Problem ist George W. Bush", sagt der Senator Bob Graham von den oppositionellen Demokraten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Vergeblich versucht die US-Regierung seit mehreren Tagen, die für den Präsidenten gefährliche Debatte aufzuhalten. Doch die Strategie, den CIA-Chef Asche auf sein Haupt streuen zu lassen, um Bush mit reiner Weste zu präsentieren, schlug kläglich fehl.

Denn nach US-Presseberichten soll Tenet das Weiße Haus bereits im Oktober gedrängt haben, eine Passage aus einer Rede zu streichen, in der von irakischen Uran-Käufen im afrikanischen Staat Niger die Rede gewesen sei. Dies nährt Zweifel an der offiziellen Version, der CIA trage die Schuld an der umstrittenen Passage in der Jänner-Rede des Präsidenten. Mit dem Schuldeingeständnis Tenet sei "der Fall nicht geschlossen", betont denn auch Senator John Kerry, der sich wie der Kollege Graham um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten bewirbt.

Erstmals habe die Regierung die Kontrolle über die Irakdebatte in den USA verloren, konstatiert der Politologe Thomas Mann vom Brookings-Institut in Washington. Und die Debatte über die möglicherweise gezielt aufgebauschten Geheimdienstinformationen werde auch "wahrscheinlich nicht so schnell wieder enden".

Die Demokraten, die in der Außen- und Sicherheitspolitik lange keinen Treffer gegen Bush landen konnten, werden jedenfalls jede Chance nutzen, den Präsidenten in der Defensive zu halten. Die Verantwortung für einen Vorgang wie den um die Rede vom Jänner liege "an der Spitze" der Regierung, meint der frühere NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark, der ebenfalls darüber nachdenkt, in das Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur einzusteigen.

38 Prozent glauben an Irreführung durch Bush

Eine neue Umfrage im Auftrag des Magazins "Newsweek" zeigt, dass immerhin 38 Prozent der US-Bürger glauben, die Regierung habe die Öffentlichkeit "irregeführt", um die Unterstützung für den Irakkrieg zu erhalten. Dennoch scheuen die potenziellen demokratischen Herausforderer Bushs bei der Wahl im November 2004 bisher davor zurück, den Präsidenten einen Lügner zu nennen. Dahinter steckt offenbar die Furcht, den Bogen zu überspannen. Denn die Umfragen zeigen auch, dass eine klare Mehrheit der Bürger nach wie vor hinter der Militäraktion im Irak steht.