Zum Hauptinhalt springen

George W. Bush in Wien: Zwischen Pragmatismus und Menschenrechten

Von Alexander U. Mathé

Analysen

Nach offiziellen Ankündigungen will die EU die umstrittenen Themen Guantánamo und CIA-Flüge beim EU-USA-Gipfel nächste Woche in Wien zur Sprache bringen. Offen ist nur, wie weit diese Fragen ins Zentrum der Gespräche zwischen Präsident George W. Bush und Österreichs Bundeskanzler und EU-Ratspräsident Wolfgang Schüssel rücken werden, auch wenn die Selbstmorde in dem US-Gefangenenlager gerade rechtzeitig zum Bush-Besuch die Emotionen wieder aufwallen lassen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wenn George W. Bush nächsten Dienstagabend auf dem Flughafen in Schwechat landet, hat er ein Bildungsabkommen zwischen den USA und der EU im Gepäck. Dazu kommen seine Unterlagen über den Visa-Streit mit der EU, Energiesicherheit, Demokratiedoktrin, Atomstreit, Wirtschafts- und Umweltpolitik.

Vielleicht hat Bush sogar ein Abkommen über eine transatlantische Partnerschaft dabei, über das man derzeit in der EU aber geteilter Meinung ist.

Unbedingt ansprechen werden beide Seiten wohl auch das Thema China, auf der Tagesordnung wird weiters ein Abstimmen des weiteren Vorgehens im Nahen Osten sein.

Für diese umfangreiche Agenda bleibt dem amerikanischen Präsidenten und seinen europäischen Gesprächspartnern nicht gerade viel Zeit, bedenkt man, dass zwischen Ankunft in Österreich und Abflug nach Ungarn nicht einmal 24 Stunden liegen. Für den eigentlichen Gipfel und das Mittagessen sind gerade einmal zweieinhalb Stunden veranschlagt.

Natürlich fordert die EU bereits seit geraumer Zeit die Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo. Die Demonstrationen gegen die Haftanstalt auf Kuba sind in Europa Legion. In Österreich fordern einer Umfrage zufolge sogar 82 Prozent der Bevölkerung, dass Bush bei seinem Besuch auf das Thema angesprochen wird.

Es ist aber fraglich, ob Bush der Frage die Bedeutung beimessen wird, die sich viele Europäer wünschen. Auch im eigenen Land und in der eigenen Partei sieht sich Bush mit Protesten gegen Guantánamo konfrontiert - ohne bisher darauf besondere Rücksicht zu nehmen.

Somit stellt sich die Frage, ob die zähe Kontroverse ausgerechnet jetzt gelöst wird. Ob man bereit sein wird, eine Diskussion mit zweifelhaften Ausgang zuführen und gleichzeitig riskiert, ein Riesenpensum auf die lange Bank zu schieben.

Die Zeit sei günstig, einen Schließungs-Erlass für Guantánamo zu verkünden, erklärte der UN-Sonderberichterstatter Manfred Nowak vor kurzem. Das mag zwar stimmen und auch Nowaks Vorhersage, das Lager werde noch in diesem Jahr geschlossen werden, klingt plausibel. In diesem Fall wäre es erst recht vergebene Liebesmühe, Guantánamo ins Zentrum des EU-USA-Gipfels zu rücken.

Viel pragmatischer - und wahrscheinlicher - dürfte indes sein, dass das Thema in einem Nebensatz angesprochen und zur Kühlung der Gemüter eine Alibi-Erklärung zu dem Thema abgegeben wird.