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George W. Bush präsentierte sich als populistischer Einiger

Von Thomas Müller

Politik

Washington - Fünf Wochen nach seinem Amtsantritt hat sich der neue US-Präsident in seiner ersten Rede vor dem Kongress als ein populistischer Einiger präsentiert. Er leitete seine 49-minütige Rede mit einem Aufruf zu einem Ende des Parteienstreits und zu einem politischen Neuanfang ein, und seinen umstrittenen Vorschlag einer massiven Steuersenkungen begründete er mit den Worten: "Den Menschen in Amerika ist zu viel abgezogen worden, und in ihrem Auftrag bin ich nun hier, um eine Rückzahlung zu verlangen."


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In seiner bisher längsten Rede bemühte sich Bush von Anfang an um die Unterstützung der Demokraten. In der ersten Hälfte widmete er sich fast ausschließlich den Demokraten nahe liegenden Themen: bessere Erziehung, bessere Gesundheitsfürsorge, eine Reform der Sozialversicherung und der Altersversorgung. Als geschickt schätzten es Beobachter auch ein, dass Bush einräumte, dass er erkannt habe, wie wichtig die Begleichung der Staatsschulden sei.

Dann wandte er sich seinen republikanischen Parteifreunden zu: Bush versprach "weniger Regierung" und eine Stärkung des Militärs. In diesem Zusammenhang nannte er das umstrittene nationale Raketenabwehrschild NMD, das Amerika brauche, um sich gegen mögliche Angriffe von "Schurkenstaaten" zu schützen. In einer seiner wenigen außenpolitisch Exkurse bot der republikanische Präsident Kritikern im Austausch gegen die Akzeptierung des Raketenschilds einen Abbau der US-Nuklearwaffen an.

Bush Hauptinteresse war es aber, für seine im Wahlkampf immer wieder propagierten Steuerkürzungen die Unterstützung des Kongresses und der Amerikaner zu erhalten. Seine bisherigen Versuche hatten darunter gelitten, dass auch fünf Wochen nach dem Amtswechsel sein mit verschiedenen Vorwürfen konfrontierter Vorgänger Bill Clinton noch immer die Schlagzeilen dominiert.

Schon im Vorfeld hatten seine Berater erklärt, dass Bush dies in seiner gewohnten Weise versuchen werde. Die Rede soll keine Poesie darstellen, sondern in einfach verständlichen Worten die amerikanischen Familien überzeugen. Um dies zu verdeutlichen lud Bush ein amerikanisches "Durchschnittsehepaar" in den Kongress und schilderte an ihrem Beispiel, dass sie mit seinem Plan künftig jedes Jahr 2000 Dollar (2.183 Euro/30.034 S) Steuer sparen würden.

Dass es für Bush auch weiterhin schwierig werden dürfte, sein Steuerpaket zu verkaufen, zeigten erste Reaktionen der Demokraten. Der ranghöchste Demokrat im Senat, Tom Daschle, erklärte, Bushs Plan sei viel zu teuer und bringe vor allem den Reichen Vorteile. Außerdem beruhe er auf unsicheren Zehnjahres-Vorhersagen für den Haushaltsüberschuss. "Die sind auch nicht besser als eine Wettervorhersage für die nächsten zehn Jahre", sagte Daschle.

Auch in der Bevölkerung hat der Präsident trotz seiner charmanten Art bisher nicht die rechte Unterstützung für die Steuersenkungen gefunden. In einer Umfrage der "Washington Post" sprachen sich kürzlich 53 Prozent der Befragten für eine geringere Steuersenkungen aus. Mit seiner Rede hat Bush nun den Kampf um sein wichtigstes Wahlkampfversprechen eingeleitet.