In Georgia steht eine außerordentliche Wahl zum Abgeordnetenhaus an - der erste wirkliche Test für Donald Trumps Politik.
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Washington. Wofür andere Jahrzehnte brauchen, hat Jon Ossoff binnen drei Monaten geschafft. Der Mann ist gerade erst 30 Jahre alt geworden, seine Karriere als Politiker beschränkt sich auf eine einzige Wahlkampagne - die, die er gerade führt; und trotzdem kennt heute jeder, der in Washington D.C. Rang und Namen hat, sein Gesicht. Fast neun Millionen Dollar hat der ehemalige Kongressmitarbeiter und Dokumentarfilmer gesammelt, um künftig den Wahlbezirk Georgia-6 in der Hauptstadt repräsentieren zu dürfen. Eine gewaltige Summe, zusammengetragen obendrein in einem Zeitraum, in dem sich die Geldgeber der US-Innenpolitik gewöhnlich mehr als knausrig geben. Aber die Zeiten sind ungewöhnlich, seit Donald Trump im Weißen Haus und die Republikaner im Kongress die Mehrheit haben. Deshalb schaut das politische Establishment Washingtons am kommenden Dienstag gebannt auf die Vororte von Atlanta. In denen wird die Schlacht um den Georgia-6 entschieden, dem bis zu seiner Berufung zum Gesundheitsminister niemand Geringerer als der konservative Hardliner Tom Price vorstand.
In den Umfragen lag der Demokrat Ossoff, der gegen ein breit gefächertes Spektrum aus Rechtspopulisten und traditionellen Konservativen antritt, kurz vor dem Wahlgang so weit vorn, dass sogar die Möglichkeit nicht ausgeschlossen wurde, dass der Absolvent der London School of Economics aus dem Stand über 50 Prozent Stimmenanteil erreichen und damit das Rennen bereits im ersten Wahlgang entscheiden könnte. Aber selbst wenn es am Dienstag nicht reicht, darf er sich für den zweiten, für Ende Juni anberaumten Hoffnungen auf den Sieg machen - in einem Wahlbezirk, der als Festung der Republikaner gilt. Die Folgen würden sich für Ossoff wie für seine Parteifreunde symbolträchtiger kaum darstellen. Motto: Schaut her, die Abrechnung der Wähler mit Trump hat begonnen. Für die republikanischen Abgeordneten im Kongress indessen würde es das derzeitige Dilemma, in dem sich viele von ihnen befinden, noch weiter verstärken. Sich weiter hinter Trump stellen oder ihn der eigenen politischen Haut zuliebe fallen lassen?
Atlanta ist erst der Anfang
Die Schlacht von Atlanta bildet lediglich den Anfang eines Wahljahres, das traditionell eigentlich keines sein dürfte. Bis Anfang November 2018 die Midterms stattfinden - bei denen 33 Senatoren und jeder einzelne der 438 Sitze im Repräsentantenhaus neu besetzt werden -, stehen mit Stand heute insgesamt fünf Rennen am Programm, in denen sich Kandidaten um ein Amt in Washington bewerben. Dazu kommen wichtige, reguläre Wahlgänge in zwei Bundesstaaten, die ebenfalls als aufschlussreich gelten, was das Urteil der amerikanischen Wählerinnen und Wähler über das Leben im real existierenden Trumpismus angeht: New Jersey und Virginia, die beide ihre Gouverneure und ihre Landesparlamente neu wählen.
Wie im Fall des nunmehrigen Gesundheitsministers Price sind die "Special Elections" nötig geworden, weil die jeweiligen Amtsinhaber höhere politische Weihen erfahren haben. Ryan Zinke ernannte Donald Trump zum Innenminister ("Secretary of the Interior", zuständig für die Verwaltung und den Schutz des sich in öffentlichem Besitz befindlichen Landes). South Carolina’s Mick Mulvaney erhob der Präsident zum fürs Budget zuständigen Direktor des Weißen Hauses. Pennsylvanias Tom Marino wird dieser Tage zum Leiter des Office of National Drug Policy (ONDCP) ernannt. Der einzige Demokrat, der vorzeitig seinen Sitz in Washington aufgab, ist Xavier Becarra, ebenfalls aus Karrieregründen: Anfang Jänner trat er sein neues Amt als Generalstaatsanwalt des größten Bundesstaats Kalifornien an. Die Wahlen zur Bestimmung ihrer jeweiligen Nachfolger finden alle binnen der kommenden Monate statt.