US-Präsident George W. Bush ist bei seinem Besuch in Georgien womöglich nur knapp einem Mordanschlag entgangen. Etwa 30 bis 50 Meter vor der Bühne in Tiflis, auf der Bush am Dienstag vor mehr als 100.000 Menschen geredet hatte, sei eine Handgranate gefunden worden, teilte der Chef des georgischen Sicherheitsrates am Mittwoch mit.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Gela Betschuaschwili wies jedoch die Darstellung des US-Geheimdienstes zurück, die Granate sei Richtung Tribüne geworfen worden: "Sie wurde nicht geworfen, sondern wir haben sie auf dem Boden gefunden."
Der Sprecher des amerikanischen Secret Service, Jonathan Cherry, hatte sich zuvor anders geäußert. Er sei informiert worden, dass ein Gegenstand, möglicherweise eine Granate, während der Rede Bushs geworfen worden sei und jemand den Gegenstand an den Kopf bekommen habe. Der Vorfall habe sich nahe der von einer kugelsicheren Scheibe abgeschirmten Rednerbühne zugetragen.
Betschuaschwili beteuerte, Bush sei nie in Gefahr gewesen. "Derjenige, der die Handgranate mitgebracht hat, wollte die Öffentlichkeit erschrecken und die Aufmerksamkeit der Massenmedien bekommen", sagte er. Betschuaschwili beschrieb das Fundstück als "technische Granate" aus der Ära der Sowjetunion, die normalerweise verwendet werde, um die Explosion eines Artilleriegeschosses zu simulieren. Anders als Angriffsgranaten streut eine technische Granate keine Schrapnellsplitter, kann aber dennoch tödlich sein.
Der Militärexperte Tamas Chachidse widersprach der Darstellung Betschuaschwilis. Es habe sich um eine Kampfgranate vom Typ RDG-5 gehandelt. Eine Sprecherin der US-Botschaft in Tiflis sagte, erst eine gemeinsame Untersuchung von amerikanischen und georgischen Spezialisten könne Aufschluss darüber bringen, ob Bush tatsächlich in Gefahr gewesen sei.
Ein Sprecher des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili schloss einen Attentatsversuch kategorisch aus. Die Präsidentin des georgischen Parlaments, Nino Burdschanadse, sieht in dem Granaten-Vorfall einen Versuch, das amerikanisch-georgische Verhältnis zu sabotieren. "Es gibt viele Kräfte, die nicht an guten Beziehungen zwischen Tiflis und Washington interessiert sind", sagte sie zu Journalisten. Die prowestliche Regierung Georgiens steht in einem Machtkampf mit den zwei abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien. Diese haben sich eine faktische Unabhängigkeit erstritten und werden von Russland unterstützt.
Kurz bevor Bush am Dienstag auf dem Freiheitsplatz sprach, hatten tausende Menschen die Polizeiabsperrungen durchbrochen. Dennoch waren die Sicherheitsvorkehrungen hoch. Die georgische Polizei war in Alarmbereitschaft, und auf den Dächern der angrenzenden Gebäude waren amerikanische Scharfschützen postiert, die die Menge durch Ferngläser beobachteten.
Die USA und Georgien leiteten Ermittlungen ein. Der Granatenfund wirft ein schlechtes Licht sowohl auf die georgischen als auch auf die US-Sicherheitsdienste. Die US-Beamten kontrollieren die Umgebung des US-Präsidenten äußerst scharf. Sie waren schon Monate vor dem Staatsbesuch in Georgien, um das Sicherheitskonzept langfristig vorzubereiten. Zuvor waren bereits Sicherheitsprobleme offensichtlich geworden, als tausende Zuschauer vor dem Auftritt des US-Präsidenten die Absperrungen der Polizei durchbrachen.