Als erster US-Präsident hat George W. Bush Georgien besucht. Hunderttausende Menschen jubelten Bush bei seiner Rede auf dem Platz der Freiheit in der Hauptstadt Tiflis zu. Die ehemalige Sowjetrepublik hatte große Hoffnungen in die Visite gesetzt, will sie doch mit Unterstützung der USA der NATO beitreten und ihre Unabhängigkeit von Moskau behaupten.
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Georgien sei ein "Leuchtfeuer der Freiheit", rief Bush am Dienstag den Massen zu, die seinem Amtskollegen Michail Saakaschwili zufolge die größte Menschenansammlung in der Geschichte der Kaukasus-Republik bildeten. Die Angaben über die Zahl der Menschen auf dem Platz schwankten zwischen 100.000 und 300.000 Menschen.
Für demokratische Reformen sowie die Bekämpfung von Korruption sicherte Bush Georgien die volle Unterstützung der USA zu. Damit soll der Weg für einen Beitritt der ehemaligen Sowjetrepublik zur NATO frei gemacht werden. Weniger Versprechungen gab es zu dem georgischen Konflikt mit Moskau. Georgien ist erbost über die Unterstützung des Kremls für die Separatisten in den Regionen Abchasien und Südossetien sowie über die anhaltende Präsenz zweier russischer Militärbasen auf seinem Gebiet. Zwar haben sich einem Bericht der Internet-Zeitung " russland.ru " zufolge der russische Außenminister Sergej Lawrow und die georgische Chefdiplomatin Salome Surabischwili auf einen etappenweisen Abzug der russischen Truppen verständigt, der bereits in diesem Jahr beginnen könnte. Die Verhandlungen dürften Tiflis aber weder schnell genug gehen noch konkret genug sein.
Behutsame Unterstützung
Bush rief indessen Saakaschwili dazu auf, die Konflikte in Abchasien und Südossetien auf friedlichem Wege beizulegen. In der Angelegenheit der russischen Militärbasen habe ihm Präsident Wladimir Putin zugesagt, sich an ein Abkommen von 1999 halten, das einen Abzug der Soldaten vorsehe. Den Konflikt müssten beide Länder selbst bereinigen, die USA könnten keine Lösung von außen durchsetzen. "Ich glaube, die Regierung in Tiflis hat eine gute Strategie. Wenn der Präsident möchte, dass ich ein oder zwei Telefonate führe, wäre ich gerne dazu bereit, dies zu tun", war Bush zuversichtlich.
Der US-Präsident sagte, Russland werde "die Vorzüge von Demokratien an seinen Grenzen erkennen." Georgien sei eine Inspiration für alle freiheitsliebenden Menschen auf der Welt. Beobachtern zufolge sieht der Kreml das anders: Moskau glaubt, dass Bushs Besuch am Kaukasus, dem eine Visite in den baltischen Staaten vorhergegangen war, Russlands Einfluss in der Region unterminieren könnte. Georgien hatte sich 1991 für unabhängig erklärt und war über ein Jahrzehnt von Präsident Eduard Schewardnadse regiert worden. Eine Wahlbetrugs-Affäre entfachte die sogenannte Rosen-Revolution, in deren Zuge Schewardnadse abdanken musste.
Vorbild Georgien
Auf die Vorbildwirkung dieser Revolution für den Umbruch in anderen ehemaligen Sowjetrepubliken, zumal der Ukraine, nahm Bush Bezug, als er erklärte: "Georgiens Beispiel wird helfen, das Gebiet des Mittleren Ostens zu transformieren. Die Rosenrevolution war ein starker Moment der Geschichte". Saakaschwili streute ihm seinerseits Rosen: Der 37-Jährige, der in den USA studiert hat, nannte den US-Präsidenten einen "entschlossenen und visionären Anführer" und dankte ihm für die Unterstützung in der Zeit nach der Revolution.
Dieser Dank kam auch bei den Festivitäten zum Ausdruck. Der Staatsbesuch wurde mit Akribie und Euphorie vorbereitet. Schon seit geraumer Zeit versank Tiflis in einer Plakatflut, die das Ereignis groß ankündigte. Nationale Popstars und Schauspieler bewarben den Besuch im Fernsehen. Seit drei Wochen waren Hunderte Arbeiter damit beschäftigt, Häuserfassaden neu zu streichen, Schlaglöcher in den Straßen auszubessern sowie Bäume und Blumen einzusetzen. Die Regierung besteht darauf, dass der Frühjahrsputz ohnedies geplant gewesen sei. Die Bürger witzeln aber bereits darüber und sagen, dass George Bush ruhig öfters kommen sollte: Dann hätte die Regierung keine andere Wahl, als das verarmte Land neu aufzubauen.
Der Besuch in Georgien bildete den Abschluss von Bushs fünftägiger Europareise.