Zum Hauptinhalt springen

Georgien ist zu Friedensabkommen bereit

Von WZ Online

Politik

Der Konflikt im Kaukasus konnte mit einem von der EU vermittelten Friedensplan entschärft werden. Der georgische Präsident Michail Saakaschwili, dessen Vorgehen gegen Südossetien die Kämpfe ausgelöst hat, stimmte am Dienstagabend in Tiflis der von Nicolas Sarkozy übermittelten Initiative zu.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Zunächst musste noch auf die nationale Befindlichkeit Georgiens Rücksicht genommen werden: Die Formulierung, dass es eine internationale Diskussion über den "künftigen Status" von Südossetien und Abchasien geben solle, wurde gestrichen. Beide Gebiete gehören offiziell zu Georgien, wollen sich aber der Russischen Föderation anschließen. Ein Großteil der Einwohner hat die russische Staatsangehörigkeit.

Der russische Präsident Dmitri Medwedew habe dies bereits akzeptiert, sagte Sarkozy. "Die Sorge Georgiens um die territoriale Einheit ist im Geist des Textes enthalten", betonte Sarkozy, der als EU-Ratsvorsitzender seit Tagen zwischen Georgien und Russland vermittelt hat.

Der Friedensplan sieht vor, dass beide Seiten auf Gewalt verzichten, ihre Truppen zurückziehen und Helfern den Zugang zu den Opfern ermöglichen. Die russischen Friedenstruppen, die seit Mitte der 90er Jahre mit einem Mandat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in Südossetien stationiert sind, verpflichten sich zu "zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen" in Südossetien. Es handelt sich um eine Prinzipienerklärung, die nicht eigens unterzeichnet wurde.

Ungeachtet der Friedensbemühungen warfen sich beide Seiten erneut "ethnische Säuberungen" in der Krisenregion vor. Saakaschwili sagte, die russische Armee habe ein Krankenhaus bombardiert und zahlreiche Zivilisten getötet. Medwedew betonte seinerseits, dass Georgien sich bisher nicht an den angekündigten Waffenstillstand gehalten habe.

Sarkozy zeigte sich stolz, dass die Europäische Union in der Krise eine führende Vermittlerrolle eingenommen habe. "Europa kann nicht passiv bleiben, wir müssen unseren politischen Willen ausdrücken, auch wenn die internen Spannungen stark sind", sagte er. Er betonte, dass er sich insbesondere mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eng abgestimmt habe. Merkel will am Freitag mit Medwedew in Sotschi am Schwarzen Meer zusammentreffen.

"Wir können nicht alle Probleme auf einmal lösen", sagte Sarkozy, der zuvor mehrere Tage lang aus der Ferne intensiv mit seinen Amtskollegen in Moskau und Tiflis verhandelt hatte. "Wir befinden uns in einer Notsituation", fügte er hinzu.

Die territoriale Einheit Georgiens bleibt der strittigste Punkt. Medwedew betonte, dass der Wille der Einwohner berücksichtigt werden müsse. Saakaschwili hingegen schloss kategorisch aus, dass die Grenzen Georgiens in Frage gestellt werden könnten. Der französische Außenminister Bernard Kouchner will den Friedensplan am Mittwoch den übrigen EU-Außenministern in Brüssel vorstellen.

Die Staats- und Regierungschefs von fünf ehemaligen Ostblockländern haben bei einem öffentlichen Auftritt in Tiflis ihre Unterstützung für Georgien im Konflikt mit Russland demonstriert. "Ihr habt das Recht auf Freiheit und Unabhängigkeit", rief der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko am Dienstag zehntausenden Menschen in der georgischen Hauptstadt zu. "Wir sind hier, um unsere Solidarität zu zeigen."

Sein polnischer Kollege Lech Kaczynski sagte, Russland versuche, seine Vorherrschaft wieder herzustellen. Die Zeit der russischen Dominanz sei aber vorbei. An der Reise nahmen auch Estlands Staatschef Toomas Hendrik Ilves, Litauens Präsident Valdas Adamkus und der lettischen Regierungschef Ivars Godmanis teil.

Die fünf Staats- und Regierungschefs waren zuvor im Nachbarland Aserbaidschan gelandet und aus Sicherheitsgründen auf dem Landweg nach Tiflis gereist. Polen, die Ukraine und die drei baltischen Länder orientieren sich in ihrer Außenpolitik nach Westen. Im Konflikt um die abtrünnige georgische Region Südossetien haben sich die fünf Staaten hinter Tiflis gestellt und die westlichen Verbündeten zu einer harten Linie gegenüber Moskau gedrängt.

Schewardnadse kritisiert Saakaschwili und die USA

Der frühere sowjetische Außenminister und ehemalige Präsident von Georgien, Eduard Schewardnadse, kritisierte in einem Interview mit der Bild"-Zeitung seinen Nachfolger im Amt des Präsidenten, Michail Saakaschwili, scharf. Er warf Saakaschwili vor, mit dem militärischen Einfall in die südossetische Provinzhauptstadt Zchinwali einen "schwerwiegenden Fehler" begangen zu haben.

In dem Interview sprach der frühere Politiker von einem "neuen Kalten Krieg". Dieser drohe aber nicht wegen der Ereignisse im Kaukasus, sondern "ist doch schon längst von den USA angezettelt durch den sogenannten Raketenabwehrschirm der Amerikaner in Tschechien und Polen".

Schewardnadse erinnerte daran, dass er selbst als sowjetischer Außenminister an der Vernichtung von Nuklearwaffen und konventionellen Langstreckenraketen gearbeitet habe. Jetzt gebe es eine "neue Runde des atomaren Wettrüstens durch die USA".

Eiszeit zwischen NATO und Russland

Die USA erwägen Protest mittlerweile eine Absage der gemeinsamen Manöver von russischen und NATO-Verbänden. Ein solcher Schritt sei derzeit "im Gespräch", sagten zwei ranghohe US-Diplomaten am Dienstag in Washington. Es sei "schwer vorstellbar", dass ein gemeinsames Manöver "zur Zeit ertragreich" wäre, hieß es weiter. Derzeit würden Gespräche mit den anderen NATO-Mitgliedern über einen solchen Schritt geführt.

NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer versicherte, Georgiens Chancen auf einen Beitritt zur NATO blieben ungeachtet des Einmarsches in Südossetien bestehen. Georgiens NATO-Ambitionen zählen zu den größten Streitpunkten zwischen Russland und der Allianz.