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Die georgische Außenpolitik wird von mehreren Faktoren bestimmt, sie hat daher von Natur aus nicht nur eine sondern viele Ausrichtungen. Nicht nur die geographische Platzierung trägt zu diesem Charakter bei (eingebettet zwischen Russland, Türkei, Armenien und Aserbaidschan), sondern auch die Größe des Landes und seine demokratischen Werte. Aus diesen Gründen ist Georgien, wie jedes andere kleine Land, an der Kooperation mit den geopolitischen Mächten interessiert, um durch diese Interaktion die Möglichkeit zu erhalten, seine außenpolitischen Ziele zu verfolgen.
Aber natürlich gibt es auch strategische Ziele, die der Zusammenarbeit nicht geopfert werden können. In den letzten Jahren, unter der Regierung Präsident Schewardnadses, hat sich der Blick nach Westen als die wichtigste Richtung für Georgien herauskristallisiert. Dafür gibt es mehrere Gründe:
Erstens hat die Regierung "die Heimkehr Georgiens in die europäische Familie" als Hauptziel verkündet.
Zweitens haben sich die Georgier als Volk von jeher als Teil der europäischen Zivilisation betrachtet, und nationales Selbstbewusstsein spielt in Georgien eine wichtige Rolle bei der Definition des politischen Kurses.
Drittens ist die Orientierung nach Westen kein Ziel für sich allein, sondern sie leitet sich vom starken Willen der Georgier ab, sich für demokratische Werte und Menschenrechte, wie sie in Europa und den USA entstanden sind, einzusetzen und sie zu unterstützen.
Viertens sind die westlichen Länder die wichtigsten Investoren für Georgien. Nur der Westen kann die politischen und ökonomischen Reformen, die in Georgien gerade durchgeführt werden, finanziell unterstützen.
"Neue Seidenstraße"
Fünftens ist Europa ein unverzichtbarer Teil und Teilnehmer des globalen Projektes "Neue Seidenstraße", dessen erfolgreiche Umsetzung sehr im Interesse Georgiens ist. Die "Neue Seidenstraße" soll so weit entfernte Länder wie China und Indien mit Europa verbinden. Ein Teil dieses weit ausgreifenden Projektes ist bereits umgesetzt, seit 1999 erstmals kaspisches Öl durch die Pipeline nach Supsa am Schwarzen Meer floss. Ein weiterer wichtiger Schritt ist der Vertrag über den Bau der Haupt-Pipeline Baku-Tbilisi-Ceyhan, unterzeichnet von der Türkei, Aserbaidschan, Georgien und privaten Ölfirmen, abgesichert durch die USA. Auch die EU ist dabei ein unverzichtbarer Partner.
Sechstens zeigen die jüngsten Entwicklungen, dass die westlichen Institutionen sowohl über den Willen als auch die Möglichkeiten verfügen, regionale Konflikte zu lösen und diejenigen, die für "ethnische Säuberungen" verantwortlich sind, zu bestrafen. Die Zusammenarbeit mit diesen Institutionen und demokratische Reformen in Georgien sollen dem Land helfen, ähnliche Probleme zu lösen.
Zusammenarbeit mit Russland
Eine andere wichtige Richtung der georgischen Außenpolitik hat konstruktive, gleichberechtigte und für beide Teile günstige Beziehungen zu Russland aufgebaut. Russland als die stärkste geopolitische Macht der Region spielt eine bedeutende Rolle für die Erhaltung der Stabilität. Außerdem importiert Russland die meisten georgischen Waren. Aus diesen Gründen ist die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit mit dem nördlichen Nachbarn für Georgien von besonderer Wichtigkeit. Um Demokratie und einen freien Markt aufzubauen, braucht man Geld. Aus diesem Grund ist Georgien bestrebt, seine Märkte allen ausländischen Investoren zu öffnen. Sehr wichtig für Georgien ist es aber auch, seine Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten und den Staaten der gesamten Region zu entwickeln und weiter auszubauen.
Zusammenarbeit in der GUUAM
Hier kommt die GUUAM ins Spiel, die aus Georgien, der Ukraine, Usbekistan, Aserbaidschan und Moldawien besteht und die den Ausbau der Zusammenarbeit dieser Länder zum Ziel hat, und zwar in sehr vielen Bereichen, wie zum Beispiel bei Sicherheitsfragen, Transport und Kommunikation und vieles mehr. Besondere Aufmerksamkeit schenkt Georgien im Moment der Zusammenarbeit mit der Türkei, mit Aserbaidschan und den zentralasiatischen Republiken, weil diese Beziehungen einen direkten Einfluss auf den Erfolg der "Neuen Seidenstraße" haben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es Georgien bei außenpolitischen Beziehungen immer darum geht, jede Gelegenheit wahrzunehmen und sorgfältig zu untersuchen, die zu Wohlstand und Freiheit für die Georgier führt.
Übersetzung: Hilde Weiss
Bakur Kvashilava war IPT-Teilnehmer im Juni 2000. Er arbeitet als staatlicher Berater der Abteilung für außenpolitische Analyse der georgischen Präsidentschaftskanzlei in Tbilisi.